Betreute Reise nach Mallorca

■ Paella, Sonne und ganz wenig Strand: Das Deutsche Rote Kreuz begleitete zum ersten Mal 48 Bremer SeniorInnen für eine Woche an den Teutonengrill

Langsam aber zielstrebig setzt sich der Trupp in Bewegung. „Wollen wir doch mal sehen, wo wir hier eigentlich sind“, sagt Frau Müller und wischt sich den Schweiß von der Stirn. Morgens um zehn klebt 24 Grad warme Mittelmeerluft zwischen den gräulichen Flachdachhäusern in Palmanova. Keine Brise bewegt die verstaubten Palmenblätter, kein Wind zwirbelt an den Wäscheleinen auf den Balkonen. Rund 500 Meter liegen zwischen Hotel und Strand: Die 44 Frauen und vier Männer der Gruppe stolpern über aufgerissenen Asphalt, steigen die hockerhohen Bordsteinkanten hoch und tapsen endlich die abfallende Straße zum Strand runter. „Oh, ist der klein“, stellt Frau Müller enttäuscht fest. Plastiktüten schwimmen im trüben Wasser, bis zum nahen Horizont reihen sich 14stöckige Hotels am Paseo Marítimo. Für den Blick haben die SeniorInnen Rollstühle gewuchtet, die fast blinden Freundinnen auf hochstehende Gehwegplatten aufmerksam gemacht, die Humpelnden unterghackt.

Lack hat der Kunstort Palmanova zehn Kilometer westlich von Palma de Mallorca nie gehabt. Jetzt blättert der Putz. Inmitten der Touristenherbergen der vergangenen 30 Jahre liegen die Siedlungen der andalusischen Kellner und Zimmermädchen, der madrilenischen Köche und Buffetdamen. Und mitten in dem Häuserwirrwar steht ein nagelneues Hotel. Fast neu. Denn bevor das Bremer Deutsche Rote Kreuz beim alten- und behindertengerechten Umbau half, war die „Residencia Voranova“ der Schandfleck des Ortes. Von 1987 bis zum Herbst 1994 ragte nur das Gerippe in den blauen Himmel über Mallorca. Ob Spekulation oder Pleite des damaligen und heutigen Besitzers Alejandro Feliu – das weiß heute niemand mehr so genau zu sagen.

Doch dann lernte Alejandro Feliu über Umwege von Berlin und Bonn Jürgen Höptner, den Geschäftsführer des DRK-Kreisverbandes Bremen kennen. „Am Anfang waren wir entsetzt“, sagt Höptner. Im Februar 1993 hatte er den verwilderten Rohbau zum ersten Mal gesehen. Dennoch begeisterte ihn die Idee des Spaniers, ein Senioren-Hotel aus dem 30.000 Quadratmeter großen Gebäude zu machen. Rund 24 Millionen Mark investierte Feliu in Gymnastikraum und Warmwasserbecken, Haltegriffe an der Badewanne und rollstuhltaugliche Rampen. Höptner beriet und setzte die Wünsche des DRK durch.

„Der Hof ist so wunderschön“, sagt Frau Carter, ihr Mann lächelt zustimmend. Seitdem er 1964 an Multipler Sklerose erkrankte, haben die Carters keine größere Reise mehr unternommen. Früher hatten sie sogar am Mittelmeer gelebt, waren zu Hause zwischen Gibraltar, Málaga und Tanger. „Wir haben es uns so oft gewünscht, wieder herzukommen“, sagt Frau Carter und blickt auf die Blütenpracht im Hotel-Innenhof. Zehn Mal waren sie in Bad Sachsa, auch schön aber Mallorca ist doch etwas ganz anderes. „Ohne das DRK hätten wir gar nicht mitkommen können“.

„Wir schon“. Frau Müller ist resolut. Sie und ihr Mann wollten endlich mal nach Mallorca: „Da war ja schon Hinz und Kunz, nur Müllers noch nicht.“ Als dann im Juli der Werbebrief des DRK kam, stand der Entschluß fest. Der wankte nur kurz, als Müllers auf dem Kennenlern-Treffen die anderen ReiseteilnehmerInnen sahen. Weit über 70 seien die anderen gewesen, mit Stock oder im Rollstuhl, bestimmt nicht mehr so unternehmunglustig wie sie mit ihren 140 gemeinsamen Lebensjahren.

„Aiiih, me duele el corazón“, gellt der Schrei der Flamenco-Sängerin durch die Hotelhalle. Die vier anderen Tänzerinnen knallen die schwarzen Schuhe auf die blanken Fliesen, trippeltrippel, trappeltrappel, Zack – der Knall hat gesessen. Applaus, die Füße der SeniorInnen wippeln mit, Händes klopfen den Takt auf der Tischplatte. Die Flamenco-Tänzerinnen klatschen wild in die Hände, drehen sich und lächeln. Die um 60 Jahre älteren Gäste aus Deutschland stört nicht, daß die chicas Sevillanas tanzen, daß es der Tanz der armen Gastarbeiter aus Andalusien und auf Mallorca ebenso fremd ist, wie sie. So wie das „typische spanische Nationalgericht“ am Mittag: Sie essen die Paella, trinken Sangría und freuen sich, daß sie in der Fremde aufgehoben sind.

Die drei MitarbeiterInnen des Roten Kreuzes helfen beim Aufstehen, reichen Pillen, geben Spritzen, tragen Koffer und begleiten die Alten abends wieder ins Bett. Pro Reisegruppe plant Jürgen Höptner drei DRK-BegleiterInnen ein, mehr kann er sich bei einem Reisepreis von knapp 1.100 Mark pro Woche nicht leisten. Geschäftspartner Hapag Lloyd will an den Senioren-Reisen verdienen, Hotelbesitzer Feliu ebenfalls. Beim Bremer DRK bleibe bislang keine Mark hängen. Geschäftsführer Höptner hofft dennoch auf ein mallorquinisches Geschäft: „Langfristig müssen wir Gewinne erwirtschaften“.

Ulrike Fokken