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Unterm Strich

Das internationale Schriftstellerparlament hat wegen der Serie von Bombenanschlägen in Frankreich – für die vermutlich algerische Fundamentalisten verantwortlich sind – aus Sicherheitsgründen sein jährliches Treffen, das von Freitag bis Sonntag in Straßburg stattfinden sollte, abgesagt. Das von Salman Rushdie geleitete Parlament könne die Sicherheit der geladenen Schriftsteller und des Publikums gegenwärtig nicht gewährleisten, deshalb wird die dritte Begegnung des Parlaments nun für unbestimmte Zeit verschoben. Das Parlament wollte bei seinem Treffen eine Bilanz der Bemühungen mehrerer europäischer Städte ziehen, verfolgte Intellektuelle zu unterstützen. Die Städte verpflichten sich zu Rechtshilfe, der Bereitstellung einer Wohnung und finanzieller Mittel. In Berlin waren die bangladeschische Schriftstellerin Taslima Nasrin und der Algerier Mohammed Magani unter den ersten, die im Rahmen dieses Projektes Zuflucht fanden.

Derweil wurde in Dhaka der bereits mehrfach verschobene Prozeß gegen Taslima Nasrin erneut vertagt. Sie ist angeklagt, in Interviews und Publikationen die religiösen Gefühle von Moslems verletzt zu haben. Am 22.November soll jetzt nach einer Gerichtsentscheidung vom Montag in Dhaka die Beschwerde der Verteidiger angehört werden. Das Gericht gab damit einem Ersuchen der Anwälte statt, die mehr Zeit zur Vorbereitung des Prozesses wegen Gotteslästerung haben wollten.

Bernd Leifeld, neuer Geschäftsführer der documenta, will „ins zweite Glied zurücktreten“ und sich darauf beschränken, die Vorstellungen der künstlerischen Leiterin Catherine David „organisatorisch möglich zu machen“. Mit dieser Kernaussage stellte sich der in der vergangenen Woche vom documenta-Aufsichtsrat gewählte 46jährige vorgestern in Kassel der Presse vor. Leifeld wird 1996 mit einem Fünfjahresvertrag in Kassel beginnen. Sein Vorgänger Roman Soukup war entlassen worden, weil David unter anderem sein Vorgehen bei der Sponsorenwerbung als zu eigenmächtig empfunden hatte. Soukup hat gegen die Entlassung geklagt, Beobachter des Verfahrens rechnen mit einer Abfindung von mehreren hunderttausend Mark. Leifeld meint dagegen: „Die Grenze beim Sponsoring ist ganz klar da, wo sie die künstlerische Leiterin setzt.“ Für die bildende Kunst bezeichnete er sich

selbst als „interessierten Laien“. Als Schauspieldirektor am Staatstheater Kassel, Intendant in Tübingen und – derzeit – Schauspieldirektor in Basel habe er aber Erfahrung mit großen Etats gesammelt und Personalverantwortung getragen.

Um an Geld für Recherchen und Freiabonnements für Interessenten in der Dritten Welt zu kommen, veranstaltet die Zeitschrift Index on Censorship am kommenden Montag in London eine Versteigerung zensierter Literatur. Gewinnbringend unter den Hammer kommen sollen dabei beispielsweise ein Raubdruck von Shelleys „Queen Mab“ von 1829, das wegen Blasphemie verboten war, oder eine signierte Erstausgabe von Margaret Atwoods „The Handmaid's Tale“, das in einigen amerikanischen Schulen auf dem Index stand. Desweiteren auf der Auktionsliste: signierte Flugblätter von Vaclav Havel und Ivan Klima, ein signiertes Manuskript von W.H. Audens „The Shield of Achilles“, ein polnischer Raubdruck von Orwells „Animal Farm“, mehrere Ausgaben von „Lady Chatterley's Lover“ sowie ein Brief von E.M. Forster zum Zensurprozeß in Old Bailey – und mehr. Um das Material hatte man Verlage, AutorInnen und Buchhändler gebeten, der Rücklauf übertraf alle Erwartungen. Weitere Informationen über Ort und Zeit der Veranstaltung und die komplette Auktionsliste bei: Index on Censorship, Tel.: (0044-171) 2782313 oder Fax 2781878.

Der US-amerikanische Schriftsteller und Drehbuchautor Terry Southern ist am Montag im Alter von 71 Jahren gestorben. Southern schrieb die Drehbücher zu den Filmen „Dr. Strangelove“ („Dr. Seltsam oder Wie ich lernte, die Bombe zu lieben“), 1963 von Stanley Kubrick verfilmt; „Barbarella“, 1967 unter der Regie von Roger Vadim mit Jane Fonda im Federkleid; und „Easy Rider“, 1969 mit Peter Fonda und Dennis Hopper in den Hauptrollen.

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