Kernfusion ade?

■ Acht EU-Länder zweifeln am Sinn weiterer Milliardenspritzen für ITER

Berlin (taz) – Die Mehrheit der EU-Staaten erwägt den Ausstieg aus dem seit über zehn Jahren in weltweiter Kooperation geplanten ITER-Demonstrationsreaktor zur Kernfusion. Fast beiläufig verkündete Zukunftsminister Jürgen Rüttgers (CDU) am Montag nach einem Treffen mit seinen EU- Amtskollegen in Luxemburg das mögliche Ende des milliardenschweren Zukunftsprojekts.

Zuvor hatten acht der 15 EU- Länder (Niederlande, Österreich, Frankreich, Irland, Griechenland, Schweden, Portugal und Dänemark) in einer gemeinsamen Erklärung eine umfassende Überprüfung der Planungen und einen Vergleich mit anderen Energiequellen verlangt. Rüttgers gab sich überrascht und stellte die Frage, „ob das Projekt damit stirbt“.

Mit ITER (Internationaler Thermonuklearer Experimental- Reaktor) wollten die EU, die USA, Kanada, Japan, Rußland und die Schweiz erstmals die technische Machbarkeit der Kernfusion demonstrieren. Die horrenden Planungs-, Errichtungs- und Betriebskosten von voraussichtlich über 20 Milliarden Mark erzwangen die Zusammenarbeit aller industriellen Zentren der Welt. Die endgültige Bauentscheidung war für 1998/2000, die Inbetriebnahme für das Jahr 2008 geplant. Um die Errichtung des Mammutprojekts hatten sich neben Japan und den USA auch Schweden, Frankreich und Deutschland beworben. Allerdings wurden dem deutschen Standort Greifswald kaum Chancen eingeräumt. Erstmals sollten in dem Testreaktor die schweren Wasserstoffkerne Deuterium und Tritium nach dem Vorbild des Sonnenfeuers (und der Wasserstoffbombe) kontinuierlich verschmolzen werden. Strom hätte allerdings auch der ITER-Reaktor noch nicht geliefert. Zur Energieversorgung kann die Verschmelzung leichter Atomkerne nach den Vorstellungen ihrer Verfechter frühestens nach 2050 beitragen. Bisher ist es nicht gelungen, das Sonnenfeuer für länger als wenige Sekunden zu zünden. Gerd Rosenkranz