Gefühl von Macht

■ Barbara Kamradt ist eine der wenigen „Campaignerinnen“ bei Greenpeace

„Die Frauen sollen den Planeten retten. Warum eigentlich?“ schrieb Barbara Kamradt – in Anlehnung an einen taz-Titel – vergangenes Jahr im Magazin der Umweltorganisation Robin Wood. Es ist eine kluge Auseinandersetzung mit unterschiedlichen ökofeministischen Strömungen, mit der Frage, ob am „weiblichen Wesen die Welt genesen“ kann, mit der These einer „anderen“ weiblichen Ethik. Damals war die 33jährige Biologin noch Pressesprecherin bei Robin Wood. Inzwischen aber wurden die Head-HunterInnen von der Konkurrenz aktiv: Seit Sommer diesen Jahres arbeitet Barbara Kamradt bei Greenpeace als Campaignerin. Ihr eigentlicher Themenschwerpunkt sind Umweltchemikalien und deren Auswirkungen auf das Hormonsystem von Mensch und Tier. Doch gleich zum Auftakt requirierte sie ihr neuer Arbeitgeber als Koordinatorin für die im Jahresplan nicht vorgesehene Moruroa-Kampagne. Aus Not am Mann oder besser: an der Frau – die Atom-Campaignerin war im Mutterschutz. Drei Monate rund um die Uhr: am Telefon und am Computer, in Teamsitzungen, unterwegs zu Aktionen und Presseterminen. Beim Öko-Institut bestellte sie ein Rechtsgutachten zum Euratom-Vertrag, um Frankreich wegen seiner Atomtests vor den Europäischen Gerichtshof zu zitieren. Das war ein Sprung ins kalte Wasser, bot aber auch viele neue Erfahrungen.

„Zufall“, nicht Plan, scheint der rote Faden ihrer Berufskarriere. Nach dem Studium verspürte die Expertin fürs Waldsterben Lust aufs Promovieren, bekam dann aber ein Lehrangebot für das Fach Öko-Wissenschaften an einem Studienkolleg. Später trug man ihr die Pressearbeit bei Robin Wood an. Als dieser Job gerade anfing, zur Routine zu werden, holte sie Greenpeace. Selbst hätte sie sich nicht auf die Campaigner-Stelle beworben: „Ich weiß nicht, ob ich es mir zugetraut hätte, wenn ich die Ausschreibung gesehen hätte. Dort ist doch relativ hart formuliert, was alles erwartet wird.“ Nicht zuletzt ein hohes Zeitbudget. „Man muß sehr viel Zeit einsetzen und flexibel sein. Für Frauen mit Kindern zum Beispiel ist das sehr schwierig.“

Es kommt nicht von ungefähr, daß unter den 24 Greenpeace- Campaignern inzwischen nur noch fünf Frauen arbeiten. Barbara Kamradt hofft allerdings, wie in ihrem Fall, über persönliche Kontakte und Netzwerke mehr für diesen Bereich zu gewinnen. Denn aus Erfahrung schätzt sie das Arbeiten in Frauenteams. Längst hat sie dabei festgestellt, daß sogenannte männliche Eigenschaften wie Durchsetzungsvermögen, Zielstrebigkeit und Lust auf Konfrontation auch Frauen reizen und von ihnen beherrscht werden. Bei der ersten dienstlichen Auseinandersetzung mit Vertretern der Chemie-Firma Hoechst genoß sie die argumentative Überlegenheit ihrer Seite. Das plötzliche Gefühl von „Macht“ und „die kriegen Angst“ gefiel ihr gut.

Als Barbara Kamradt bei Greenpeace anfing, spürte sie einen großen Erwartungsdruck, sie könne die geschlechtsspezifischen Muster in ihrem Männerbereich aufbrechen. Doch findet sie es „problematisch, die weibliche Sozialisation als die gute, die männliche als die schlechtere zu bewerten. Beide seien beschränkt und unvollkommen, aber beide haben ihre guten Seiten.“ Dennoch will die Feministin gerade in der thematischen Arbeit bei Greenpeace stärker die Geschlechterfrage stellen. Schon weil sie die These von der naturgemäßen größeren Verantwortung der Frauen fürs (ökologische) Überleben ablehnt. Denn „die Aufhebung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung“ sei die wichtigste „Voraussetzung zur Rettung des Planeten“. Ulrike Helwerth