„Schritte über den Mösenrand“

Seit zehn Jahren arbeitet Laura Merrit als Prostituierte. Seit drei Jahren bietet die 35jährige zusammen mit Kolleginnen ihre sexuellen Dienstleistungen nur noch Frauen an. Im Schnitt für 150 Mark die Stunde.

taz: Wie ist das, als Prostituierte nur noch Frauen zu bedienen?

Laura Merrit: Ich find's viel spannender als die Arbeit mit Männern. Männer sind phantasielos. Das ist immer die gleiche langweilige Nummer. Die Arbeit mit Frauen bringt mir viel mehr Befriedigung und Spannung. Frauen sind einfach spielerischer.

Sind Frauen anstrengender?

Natürlich. Wenn sie erst mal entdeckt haben, daß sie sich zwei-, dreimal gehenlassen können, dann wollen sie immer mehr. Gerade heterosexuelle Frauen sind ja klitoral ziemlich unterversorgt. Nur nach dem Motto „Rein-raus-das-war's“ funktioniert da nichts. Das kennen verheiratete Frauen zur Genüge.

Wie? Zu Ihnen verirrt sich auch die Ehefrau und Mutter von drei Kindern?

Klar, zu uns kommen junge Mädchen, die wissen wollen, was lesbische Liebe ist. Zu uns kommt die Geschäftsfrau. Es kommt die 60jährige, die endlich mal ihre Mädchenträume ausleben will. Oder die 50jährige, die sich nach 30 Jahren heterosexueller Ehe sagt: „Okay, das war's nicht. Jetzt will ich mal was anderes erleben.“

Und was bieten Sie dieser Frau?

Kommt drauf an, was sie möchte. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Egal, ob zu zweit oder in Dreierrunde, ob ganz klassisch oder als inszeniertes Spiel. Das erste Mal ist es immer ein Abenteuer. Außerdem machen exotische Spiele mit Frauen und Lesben viel mehr Spaß. Da kommt auch schon mal der Wunsch: Mach mir die K.-D.- Lang-Nummer, spiel mir die Martina Navratilova.

Und Erotik nach dem Muster von 9 1/2 Wochen, Fesselspiele und ähnliches?

Klar, die gibt's auch. Frauen haben erst mal die gleichen Klischees im Kopf wie Männer. Aber Frauen machen sich mehr Gedanken darüber. Und sie verändern sich, machen Schritte über den eigenen Mösenrand. Eine ältere Frau hat nach ihrem Besuch bei uns mal gemeint, „da sind ja noch so viele sexuelle Felder, die bei mir brachliegen.“ Diese Frau hat ihrem Körper bei späteren Gelegenheiten viel mehr Wertschätzung entgegengebracht. So was find ich toll.

Wie schaut's mit dem eigenen Orgasmus aus? Verkneift sich die Hure den bei der Arbeit mit Frauen?

Nee. Früher war das mal so 'ne Doktrin unter Sexarbeiterinnen. Aber wenn dann ein Prachtexemplar von Mann auftauchte, warum sollte ich mir da nicht auch meinen Orgasmus holen. Wär' doch Blödsinn, wenn nicht. Das gilt natürlich auch für Frauen als Kundinnen. Ich muß dabei halt professionell bleiben. Du kannst den Orgasmus zwar mitnehmen, aber du darfst dich nicht gehenlassen.

Und wie steht's um das Sexualleben Ihrer Kundinnen?

Da gibt's große Unterschiede zu Männern. Männer kamen früher oft und sagten, ich will jetzt Sex und Zack. Frauen haben zwar auch einen starken Sexualtrieb, aber anscheinend dürfen sie ihn nicht direkt befriedigen. Da gibt's immer noch diesen komischen Erotiksockel drumherum. Bevor es zur Sache geht, wollen Frauen erst mal reden. Manchmal mußte ich sie richtig drängeln, um endlich zum Sex zu kommen. Im Moment dauert eine Session bei mir immer noch eine Stunde, aber warum soll's in Zukunft nicht auch die Halbe- oder die Viertel-Stunden-Nummer tun. Das wäre dann Sex pur.

Was ist Sex für Sie?

Ich liebe die schnelle Nummer bei 'ner Party auf'm Klo, und ich mag genauso gern die stundenlangen Sessions. Letztlich möchte ich beides nicht missen. Interview: Karin Flothmann