Sanssouci
: Vorschlag

■ Musik-Kabarettist Lars Reichow glänzt im Mehringhoftheater

Seine Brusthaare seien ausreichend, sagt er, und seine Texte kafkaesk. Seine Aufmerksamkeit schenkt er den kleinen, wahnsinnigen Geschichten des Alltags: Der Musik-Kabarettist Lars Reichow erzählt Grotesken aus dem Kaufhaus, Absurdes über den neuen Mann, beantwortet nebenbei die Frage „Was ist Kunst?“ und singt ein Lied über die Apotheose menschlicher Niedertracht. Und alles unter dem Motto „Allerhöchste Tastenzeit“. Nur einen Tisch und ein Klavier braucht der 31jährige Mainzer, um zwei Stunden lang ein amüsantes Feuerwerk des ganz normalen Wahnsinns abzufackeln.

Virtous und furios zugleich beherrscht er sein Instrument, und seine Musik klingt wie eine Mischung aus Debussy und Tschaikowsky, César Franck und Olivier Messiaen: Auf mächtige Cluster folgen barocke Schlußphrasen, durch impressionistische Melodien bricht ein schwermütiger Blues, dann folgt leichter Jazz. Kongenial die Texte illustrierend, schwirrt unverhofft Beethovens „Für Elise“ durch das Mehringhoftheater, wird das „Pink Panther“-Motiv zum Running Gag. Während Reichow kraftvoll in die Tasten haut, verrät er das schlichte Geheimnis seines Tuns: „Ich spiele gleichzeitig Klavier und rede darüber.“

Die Themen sind nicht neu, und die Texte sind nicht komisch; Lars Reichows Fähigkeit besteht vielmehr darin, dem Kabarett durch Musik eine zusätzliche Dimension zu erschließen: Zu raten, welche Melodie gerade parodiert wird, macht – ganz bildungsbürgerlich – den Reiz des Abends aus. Wort und Ton gehen durch eine ausgefeilte Sprach- und Gesangstechnik ineinander über: Atemberaubend ist sein Sprechtempo, die Singstimme klingt mal wie eine Mischung aus Grönemeyer und Udo Jürgens, dann wieder wie eine Joe-Cocker-Persiflage. Obwohl Reichow erst 1992 auf der Kleinkunstbühne debütierte, hat er bereits mehrere Preise eingeheimst, darunter das „Passauer Scharfrichterbeil“ (1993). Was er bietet, ist nur selten im Kabarett zu hören. Oder, um es mit seinen eigenen Worten zu sagen: Lars Reichow dringt mit seinem „Raumschiff Eintrittspreis“ in unbekannte Galaxien vor. Und wehmütig sehen wir ihm nach, sehen ihn entschwinden, unseren Commander Giggling: „Beam me up, Maskottchen, beam me up!“ Und wir, Lars, und wir? Margot Weber

„Allerhöchste Tastenzeit“, bis 11.11., Mi-So, 20.30 Uhr, Mehringhoftheater, Gneisenaustraße 2a

Beam me up, Commander Giggling Foto: Kathrin Schwedler