■ Nachruf auf eine Düsseldorfer Fußgängerpassage
: Ein Paradies wird verrammelt

Düsseldorf (taz) – „Lange Reden halten den Verkehr auf“, scherzte Oberbürgermeister Peter Müller, stieg von seiner Tonne, legte feierlich einen Hebel um, der die imposante Ampelanlage in Betrieb setzte, und durchschritt endlich das Band am Eingang zur unterirdischen Fußgängerpassage. Der ersten in der ruhmreichen Geschichte der Stadt Düsseldorf.

Es war ein triumphaler Augenblick an jenem sonnigen April- Dienstag des Jahres 1962. Fahnen wehten, Musikanten spielten auf, „eine Fülle von Prominenz“, wie die Presse schrieb, und Hunderte von Zaungästen bevölkerten den Worringer Platz. Dieser, früher einer „der schönsten Plätze der Stadt“, baumbestanden und mit einem „Milchhäuschen“ in der Mitte, wie sich alte BewohnerInnen noch erinnern, war buchstäblich nicht mehr wiederzuerkennen: Für 6,5 Millionen Mark hatten ihn die Stadtplanierer in einen gnadenlosen Knotenpunkt drei- bis sechsspuriger Autopisten verwandelt.

Als „wirklich großzügige Verkehrslösung“ feierte der Oberbürgermeister in seiner aus erwähntem Grund kurzgehaltenen Ansprache die 12.000 Quadratmeter Wüste. Er beglückwünschte von Herzen die Fußgänger, für deren Sicherheit nun so vorbildlich gesorgt sei. Dann begab er sich persönlich hinab in die mit blauen Mosaiken verzierten Gefilde und kaufte an einem der Kioske Schokolade für seine Kinder. „Wie ein Bienenschwarm“, vermerkt ein Zeitungschronist, „ergoß sich die Menge hinter dem Stadtoberhaupt und den Ehrengästen in die unterirdischen Gänge“ mit ihren eleganten Vitrinen und Telefonzellen. „Die Rolltreppen hatten es besonders der Jugend angetan, die unermüdlich auf- und abfuhr.“

Das alles ist verdammt lang her, die Zeitungen von damals vergilben im Archiv. Der Worringer Platz wurde zum abgasgeschwängerten Alptraum, zum sprichwörtlichen Schandfleck, die ganze Umgebung verkam. Die Rolltreppen verrosteten, die Verkaufsstände machten dicht, die Vitrinen verschwanden. Deckenteile fielen herab und die Beleuchtungen aus. Obdachlose und Drogensüchtige bezogen Quartier. Die Fußgänger aber hasteten lieber unter Lebensgefahr über die Straßen als durch diese unheimliche Müllzone. Auf Gleitflächen für Kinderwagen hatten die Bauherren ohnehin verzichtet – „da müssen sich die Mütter eben auf die Ritterlichkeit der Düsseldorfer verlassen“, meinte der Oberbürgermeister treuherzig.

„Kaum jemand kann sich vorstellen, wie das im vergangenen Sommer gestunken hat“, stöhnte neulich Herr Tomasella, dessen Eiscafé unglücklicherweise direkt vor einem der Höllenschlünde liegt. Auf die Parteien in der Stadt ist er schlecht zu sprechen. Die FDP zum Beispiel hatte ihm gelbe und blaue Farbe versprochen, damit er die Eingänge wenigstens frisch tünchen könne. Aber das war im letzten Wahlkampf, und der ist auch schon länger her.

Die schöne Farbe wäre freilich auch pure Verschwendung gewesen. Denn jetzt sind die Würfel für eine wieder mal großzügige Lösung gefallen: Nach jahrelangem Hinhaltekampf der Verwaltung gegen eine stinkig gewordene Anwohnerschaft wird das erste unterirdische Fußgängerparadies der Landeshauptstadt, das mondäne Millionending mit seinen „hellerleuchteten, freundlich wirkenden und breiten Passagen“, wo der Oberbürgermeister vor 33 Jahren seinen Lieblingen Schokolade kaufte, endgültig dichtgemacht. Rien ne va plus. Die Verantwortlichen haben zugesagt, Sorge zu tragen, daß nicht versehentlich ein paar Penner miteingemauert werden. Oberirdisch aber gilt wie eh und je der Schlachtruf der Blechlobby „Destination Düsseldorf“: „Freier Fluß für DUS“. Olaf Cless