Der Mönch und die Mikrochips

■ Die Unterwelt Irlands freut sich über die Ansiedlung von Computerchipindustrie

Dublin (taz) – Der „Mönch“ hat wieder zugeschlagen. In der Nacht zu Halloween drangen fünf maskierte und bewaffnete Männer in die AST-Computerfabrik im westirischen Limerick ein, fesselten das Wachpersonal und entkamen mit Computerchips im Wert von umgerechnet rund 550.000 Mark.

Die Polizei glaubt, daß der Dubliner Gangsterboß mit dem Spitznamen „Mönch“ dahintersteckt. Der Überfall trug dieselbe Handschrift wie zwei ähnliche Operationen im August, als aus einem Intel- Warenlager im Dubliner Flughafen und drei Tage später aus der Gateway-2000-Fabrik in einem Vorort Computerchips im Wert von insgesamt 2,5 Millionen Mark gestohlen wurden. Außerdem soll die Bande im Januar bei einem Überfall auf die Sicherheitsfirma Brinks 6,5 Millionen Mark erbeutet haben. Beweise, die für eine Festnahme des „Mönchs“ ausreichten, liegen der Polizei nicht vor.

Das US-Unternehmen AST gehört zu den größten Computerfirmen der Welt. Vor zwei Jahren siedelte die europäische Zentrale von Schottland nach Limerick um. Im selben Jahr wurde auch die PC- Montage aus Taiwan dorthin verlegt. Das irische Industrieministerium glaubt nicht, daß die Überfälle negative Auswirkungen auf Investitionen der Computerbranche in Irland haben werden.

Dieser Industriezweig gewinnt für die Grüne Insel immer mehr an Bedeutung. Mitte Oktober verkündete der Branchenriese Intel, der 80 Prozent des Marktes kontrolliert, daß man 1,5 Milliarden Dollar in die Erweiterung der Fabrikation in Leixlip bei Dublin stecken werde. Soviel hat bisher kein ausländisches Unternehmen in Irland investiert.

2.600 neue Jobs entstehen dadurch. In drei Jahren wird Intel 8.000 Leute in Leixlip beschäftigen, ein Großteil davon im Forschungsbereich. Zum Vergleich: Bei Telecom Eireann, dem größten irischen Unternehmen, arbeiten 10.000 Menschen. Gestern nun gab die Industrieansiedlungsbehörde bekannt, daß American Power Conversion (APC) drei Zweigwerke mit insgesamt tausend neuen Stellen eröffnen werde. Darüber hinaus verhandelt man mit einem weiteren Mikrochipproduzenten, wobei es ebenfalls um 1.000 Jobs geht.

Die Unternehmen kommen natürlich nicht wegen der guten Luft nach Irland. Die Regierung lockt sie mit niedrigen Steuersätzen, schlüsselfertigen Fabriken und perfekter Infrastruktur. Darüber hinaus sind die Arbeitskräfte hochqualifiziert, die Lohnkosten aber relativ niedrig. Intel erklärte, die Ausschußrate sei in Irland niedriger als in den anderen Produktionsstätten des Unternehmens.

Es sind aber nicht nur die irischen Arbeitskräfte, die sich auf die kleinen Chips spezialisiert haben, sondern offenbar auch die Unterwelt. Der Diebstahl der Plastikwunder ist äußerst lukrativ: Sie sind so klein, daß vier Stück in eine Streichholzschachtel passen, und sie tragen keine Seriennummern. Zur Zeit besteht für Mikrochips weltweit ein Lieferengpaß. Es wird gemunkelt, daß einige schwarze Schafe unter den fernöstlichen Computerfirmen gestohlene Chips auf dem Schwarzmarkt aufkaufen. Nach den beiden Überfällen in Dublin hatten die Elektronik- Konzerne in Irland Kontakt untereinander aufgenommen, um eine Strategie gegen „High-Tech-Criminals“ zu entwickeln. In den USA hat eine Versicherung 300.000 Dollar in eine „Stiftung zur Verhinderung von Technologie- Diebstahl“ investiert, in Großbritannien gibt es ähnliche Pläne.

In Irland hatten die Konzernchefs über einen gemeinsamen Topf nachgedacht, aus dem hohe Belohnungen für Hinweise auf die Täter finanziert werden sollten. Damit, so hoffte man, könnten einzelne Mitglieder der Diebesbanden zum Verrat bewegt werden. Die Überlegungen waren jedoch nicht über Vorgespräche hinausgekommen. Der Überfall in Limerick dürfte die Beratungen nun beschleunigen. Ralf Sotscheck