Sonnenstrom für eine Mark

Solarfabrik '96: Greenpeace will mit seiner dritten „Industrie-Initiative“ die Produktion von Solarzellen in Deutschland retten. Die Ludwig-Bölkow Systemtechnik liefert das Konzept  ■ Aus Berlin Gerd Rosenkranz

Solaranlagen zur direkten Stromerzeugung könnten schon heute ein Geschäft sein. Man muß es nur wollen. Mit dieser These trat gestern Greenpeace in Berlin an die Öffentlichkeit und legte gleich das fertige Konzept für eine Solarfabrik vor, die „Photovoltaik-Module für den Hausgebrauch“ um 40 bis 50 Prozent billiger anbieten soll als bisher. Die Umweltschutzorganisation will bei Privatleuten, Kommunen, Unternehmen und Kirchengemeinden um Absichtserklärungen zum Kauf von Photovoltaik-Anlagen werben. Der Solarexperte Sven Teske forderte Bundesbauminister Klaus Töpfer (CDU) auf, seine Ankündigung wahrzumachen und die jährlich rund 170 Neubauten des Bundes mit Solardächern und -fassaden auszustatten.

Das Greenpeace-Konzept für eine „Solarfabrik '96“ geht auf eine Studie der Ludwig-Bölkow Systemtechnik in Ottobrunn zurück. Projektleiter Dieter Reismayr versicherte, alle Komponenten nutzten nur den aktuellen Stand der Technik. Die Solarmodule in konventioneller Dickschicht-Silizium- Architektur sollen rund zwei Kilowatt leisten. Eine solche Anlage könnte etwa die Hälfte des Strombedarfs einer vierköpfigen Familie decken.

Zwei Varianten rechneten die Ottobrunner Systemtechniker durch: Eine Solarfabrik mit einer Jahreskapazität von fünf Megawatt würde Investitionskosten von etwa 13,5 Millionen Mark erfordern, für eine Fertigungsanlage mit einem Modulausstoß von 20 Megawatt pro Jahr müßten 26,1 Millionen aufgebracht werden. Im ersten Fall würde eine „Cyrus“-Anlage inklusive Montage für etwa 22.000 Mark zu haben sein. Bei einer Lebenszeit von 20 Jahren ergäben sich Strompreise pro Kilowattstunde von etwa 1,12 Mark. In der 20-Megawatt-Variante wären Preise von knapp unter einer Mark erreichbar. Zum Vergleich: Nach Angaben von Greenpeace sind derzeit Solarmodule mit einer Kapazität von vier bis fünf Megawatt in Deutschland in Betrieb. Meist wird mit Kilowattstundenpreisen von rund zwei Mark gerechnet.

Mit ihrer dritten „Industrie-Initiative“ nach dem FCKW-freien Kühlschrank und dem Dreiliterauto reagiert Greenpeace auf die Auflösungserscheinungen der Photovoltaik-Produktion in Deutschland. Ende des Jahres wird die letzte Fertigungsstätte der Angewandte Solarenergie GmbH (ASE) im schleswig-holsteinischen Wedel geschlossen. Die ASE ist eine Tochter der RWE, die in den letzten Jahren eine Reihe kleinerer Photovoltaik-Fabriken zusammenkaufte und die inländische Fertigung jetzt sterben läßt oder in die USA verlagert. Zuvor hatten in der Photovoltaik-Fertigung engagierte Unternehmen – neben RWE auch Siemens mit Beteiligung des Bayernwerks – in sechs Jahren rund 120 Millionen Mark Fördermittel abgezockt.