"Gebrüstet wird nicht"

■ Im Streit um knappe Rundfunkgebühren droht NDR-Intendant Jobst Plog, die kleinen Sender in der ARD künftig nicht mehr zu unterstützen. Ein taz-Interview über Geld und Solidarität, über die Fehler der ARD und die Ung

taz: Bei der ARD ist das Geschrei laut, weil die Gebührenerhöhung nicht wie gewünscht ausfallen wird. Jetzt haben Sie für noch mehr Geschrei gesorgt: Weil Ihr NDR schon am meisten Personal eingespart hat, sagen Sie: Ende der Fahnenstange – und drohen, die kleinen Anstalten in Bremen und Saarbrücken nicht mehr mitzufinanzieren. Ihre Kritiker halten Ihnen nun vor, dann wären der ganze Finanzausgleich und damit die Minianstalten tot.

Jobst Plog: Das ist politisch naiv. Auch wenn das Argument von ARD-Anstalten kommt. Denn wenn die Gebühr so bemessen wird, wie es jetzt droht, dann ist damit kein Finanzausgleich mehr machbar. Darin besteht zwischen allen ARD-Anstalten Einigkeit. Mein Vorschlag läuft gerade darauf hinaus, daß auch die Kleinen überleben können.

Sondern?

Man muß die Kosten der Anstalten vergleichbar machen, zum Beispiel mit Hilfe von Kennziffern, nach dem Schema: Mit welchem Aufwand kann welches Programm gemacht werden? Danach sollen alle Anstalten einzeln beurteilt werden. Die Gebühr muß dann nach Bedarf verteilt werden, nicht mehr nach der Anzahl der Gebührenzahler in einem Bundesland. Das sichert den kleinen Sendern ihre Existenz, sie haben einen Anspruch auf kostendeckende Gebühreneinnahmen. Genau das brauchen sie, denn sie werden in Zukunft nicht mehr von den Almosen der größeren Anstalten leben können.

Stoiber und Biedenkopf werden Ihrem Modell mit Freude zustimmen: Sie werden dann die bundeseinheitliche Rundfunkgebühr gleich mit abschaffen. Wenn genau klar ist, wieviel die Bayern für ihr Fernsehen brauchen, dann wollen die Zuschauer des BR auch nicht mehr zahlen als das, was der BR selber braucht. Und die Saarländer gucken in die Röhre.

Die Frage, wie die Gebühr ermittelt wird, hat nichts mit der Frage der bundeseinheitlichen Gebühr zu tun. Für den bayerischen Bürger würde sich im übrigen nichts ändern: Schon heute fließen Mittel aus Bayern über den Finanzausgleich ins Saarland.

Aber wie soll mit einem Kennziffernsystem festgestellt werden, ob es denn ökonomisch vertretbar ist, die kleinen Anstalten beizubehalten? Die Ministerpräsidenten haben jedenfalls neulich beschlossen, daß auf jeden Fall weiter rationalisiert werden soll.

Dahinter verbirgt sich der politische Ansatz, der darauf abzielt, daß es am Ende weniger Anstalten geben wird. Diese Prämisse kann ich aber nicht akzeptieren. Solange der Saarländische Rundfunk den gesetzlichen Auftrag zur Rundfunkversorgung im Saarland hat, hat er auch Anspruch auf ausreichende Finanzierung.

Die ganz kleinen Anstalten tun sich beim Personalsparen nicht gerade hervor. Der Saarländische Rundfunk will von 1997 bis 2000 gerade mal sechs von 816 Stellen einsparen, Radio Bremen 24 von 658. Bekommt nicht dadurch die Forderung, diese Anstalten, die vom Finanzausgleich leben, abzuschaffen, Rückenwind?

Man sollte keine Rationalisierungshitliste aufstellen. Es könnte ja auch sein, daß diese Anstalten auf besonders niedrigem Personalniveau gearbeitet haben. Ich sage nicht, es ist so. Aber solange die Anstalten nicht individuell untersucht werden, ist jede Pauschalvermutung falsch.

Und wenn die Produktionskosten pro Sendeminute verglichen werden? Die Süddeutsche Zeitung schreibt, die lägen beim NDR weit über denen der kleinen Anstalten.

Wir sind sehr dafür, daß das ausgerechnet wird. Im übrigen ist es natürlich, daß große Anstalten, die Auslandskorrespondenten haben und viele Fernsehspiele produzieren, auch höhere Minutenkosten haben.

Ihr Sender brüstet sich damit, daß er in acht Jahren über 500 Stellen einspart, das sind rund 13 Prozent. Da fragt sich natürlich die KEF, ob andere Sender das nicht auch können.

Gebrüstet wird nicht. Wir haben Anfang der neunziger Jahre im NDR unsere wahrscheinlichen Einnahmen hochgerechnet. Und da wurde klar, daß wir ohne Personalabbau nicht bis zum Jahr 2000 konkurrenzfähig überleben können. Deswegen haben wir – parallel zum ZDF – angefangen, fixe Personalkosten in Programmittel umzuschichten. Andere Anstalten nicht, das will ich gar nicht bewerten. Manche, wie der WDR, brauchten das auch nicht: Wenn ich 17 Millionen Menschen in einem einzigen Bundesland versorge und nicht für vier Länder Landesprogramme machen muß, dann habe ich eine viel stabilere finanzielle Basis.

Eins kann man doch konstatieren: Das unkoordinierte Vorgehen der ARD bei der Bedarfsanmeldung und die mangelnde Vergleichbarkeit haben es für die Gebührenkommission nahegelegt, alle Sender an der Elle des klar gegliederten ZDF zu messen. Offensichtlich zum Nachteil der ARD.

Es ist viel einfacher, einen einzelnen Betrieb taktisch richtig zu plazieren, als die ARD. Da müssen Sie sehr unterschiedliche Positionen zusammenbringen. Die Anmeldung des Bedarfs ist in der Tat eine Bündelung von Einzelvorschlägen. Da kann die ARD nicht so brillant aussehen wie das zentral geführte ZDF.

Jedenfalls hat sich die KEF – mangels nachprüfbarer Kostenrechnungen, sagt sie – etwas Einfaches ausgedacht: Die ARD soll einfach prozentual mehr sparen. Und zwar jährlich zwei Prozent bei den Stellen und ein Prozent beim Programmaufwand. Das hört sich doch vernüftig an, wenn man liest, daß einzelne Sender (vor allem ZDF und NDR) schon freiwillig soviel rationalisieren, andere dagegen kaum. Da ist doch offensichtlich noch Luft drin.

Das läßt sich so pauschal nicht sagen, die Sender haben sich ja unterschiedlich entwickelt. Wenn man ein bestimmtes Ausgangsjahr zugrundelegt, ist das immer ungerecht. Manche haben früher was getan, manche haben noch nie etwas getan, manche haben das Problem noch gar nicht begriffen.

Aber dann bekommen Sie den Schwarzen Peter gleich wieder. Die KEF beschreibt ja, wie die ARD – gerade auch, als Sie ihr Vorsitzender waren – immer geklagt hat, Kennziffern seien nicht machbar, die Kostenstrukturen nicht vergleichbar. Hat sich die ARD den heutigen Katzenjammer nicht selber zuzuschreiben?

Sie hat daran Anteil. Aber selbst wenn: Es kann nicht so bleiben, wenn das jetzt zu absurden Ergebnissen führt. Zum Beispiel soll der NDR jetzt – wie die anderen ARD-Sender – noch einmal zusätzlich zwei Prozent jährlich Personal einsparen , obwohl er die gleichen zwei Prozent unstreitig schon freiwillig gespart hat. Ein anderes Beispiel: Wenn die KEF Programminnovationen genehmmigt, wie zum Beispiel dem HR ein Jugendradio, dann wird das Gebührengeld dafür gleichmäßig an alle Sender verteilt. Das ist doch absurd.

Wenn Ihr Modell so einleuchtend ist, hätte doch die ARD in der Vergangenheit längst darauf drängen müssen.

Wissen Sie, wenn man etwas mehr Luft zum Atmen hat, dann kann man sich auch andere Modelle leisten. Jetzt aber ist nach mehreren Jahren der Rationalisierung der Spielraum auch für die großen und mittleren Anstalten ganz eng geworden. Aber es wäre immer schon sinnvoll gewesen, man hätte wirklich Vergleichsmaßstäbe gehabt.

Die Intendanten haben sich ja vor einer Woche mit der KEF getroffen. Wie hat die Kommission denn auf den Streit, wer schon wieviel gespart hat, reagiert?

Sie hat die Einwände des NDR ernstgenommen, aber gesagt, daß der Interessenausgleich unter den ARD-Anstalten intern gefunden werden muß.

Das ist doch kaum möglich. Das Hickhack unter den Anstalten hat ja schon begonnen. Jetzt würde doch nur noch eine Anhebung der von den Ministerpräsidenten angepeilten Gebührenerhöhung auf mehr als 28 Mark helfen.

Wenn es vor der Erarbeitung von Vergleichsmaßstäben Zwischenlösungen geben soll, dann muß in der Tat die Gesamtgebühr so bemessen werden, daß jede Anstalt mitmachen kann – der NDR genauso wie der Saarländische Rundfunk. Interview: Michael Rediske