NRW: Entspannung im Streit um PVC

■ Gewerkschafter und Chemieindustrie loben den neuen grünen Bauminister

Düsseldorf/Berlin (taz) – „Ich begrüße sehr, daß Minister Vesper diesen Dialog eröffent hat.“ Daß ausgerechnet Peter Purwein, Vorstandsmitglied der Veba-Chemietochter HÜLS-AG, mit diesen Worten gestern den grünen Bauminister Michael Vesper während einer Diskussionsrunde über PVC lobte, kam dann doch etwas überraschend. Noch vor wenigen Wochen hatte die chemische Industrie Hand in Hand mit der Industriegewerkschaft Chemie vor dem Düsseldorfer Bauministerium die erste Demo gegen das neue rot-grüne Bündnis organisiert. Prompte Reaktion auf eine Ankündigung von Vesper, im Baubereich künftig auf ökologische Baumaterialien zu setzen und auf PVC „weitestgehend“ zu verzichten.

Doch inzwischen ist der laute Protest verstummt. Die IG-Chemie fürchtet zwar immer noch Arbeitsplatzverluste durch eine Verunsicherung der PVC-Kundschaft, aber sie hält angesichts der in der Sache undramatischen Neuorientierung vorerst still. Tatsächlich geht es bei den von Vesper angekündigten Maßnahmen nicht um ein PVC-Verbot – dazu fehlte dem Land ohnehin die Zuständigkeit –, sondern lediglich „um den Ersatz von PVC im staatlichen Baubereich durch umweltverträglichere Ersatzstoffe“. Da will der Grüne die Handlungsmöglichkeiten „entschlossen nutzen“.

Wirklich weh tut das der PVC- Industrie indes nicht, denn der mengenmäßig entscheidende private Bereich soll auch künftig von entsprechenden Bauvorschriften verschont bleiben: „Da traut sich der Vesper niemals ran“, prophezeite gestern ein Insider aus dem Bauministerium hinter vorgehaltener Hand.

Solange wird die IG-Chemie wohl stillhalten, auch wenn Jürgen Walter, Hauptvorstandsmitglied der Gewerkschaft, gestern schon einmal vorsorglich damit drohte, seine Organisation könne auch mal „mit 10.000 Leuten“ nach Düsseldorf kommen.

Während Greenpeace-Vertreter wegen „der großen Dioxingefahren“ einen vollständige Ersatz von PVC forderten und ein Kunststoffenster ohne PVC vorstellten, verteidigte Walter im Verein mit der Chemieindustrie die Chlorchemikalie als ökologisches Produkt. So sehe etwa die Gesamtökobilanz von PVC „besser aus als bei Holz“.

Das sieht Michael Vesper zwar nicht so, aber auch er warnte vor einer „pauschalen Verteufelung des Baustoffes PVC“. Man müsse „die Vor- und Nachteile ehrlich überprüfen“. Solche Töne vernahm die PVC-Lobby mit Genugtuung.

Auch in Berlin ist sie kräftig auf dem Vormarsch. Ende der 80er Jahre hatte in der damals noch geteilten Stadt der rot-grüne Senat beschlossen, PVC aus allen öffentlichen und öffentlich geförderten Bauten zu verbannen. Nach der Wende witterte die Branche neue Chancen: Sie verwies beharrlich auf gefährdete Arbeitsplätze in der ohnehin gebeutelten Chemieindustrie der ehemaligen DDR. In der letzten Sitzung des Abgeordnetenhauses vor der Neuwahl im Oktober hatte sie das Ziel erreicht. Auf Antrag der FDP und CDU beschloß das Parlament, den PVC- Beschluß des Senats wieder aufzuheben – die (mitregierende) SPD hatte den Abstimmungstermin versäumt. In der Hoffnung auf Wahlkampfpunkte versprach der amtierende Bausenator, Sozialdemokrat Nagel, daß er weiterhin keine PVC-Fenster zulassen werde. Die verheerende Niederlage der SPD dürfte jedoch auch diesen rot-grünen Rest im nächsten Senat beseitigen Walter Jacobs/nh