■ Das Portrait
: Strömender Klang

Mit seinen Kompositionen wollte er nur eins: eine Verbindung schaffen zwischen Orient und Okzident. Der koreanische Komponist Isang Yun galt international als der bedeutendste Komponist seines Landes – wenngleich er seit 1956 in Europa gelebt hatte: zunächst in Paris, seit 1964 in Berlin. Dort ist er am Freitag nachmittag im Alter von 78 Jahren an einer Lungenentzündung gestorben.

Sein koreanisches Frühwerk gilt als verschollen, sein in Europa entstandenes ×uvre umfaßt mehr als hundert Kompositionen, darunter vier Opern, fünf große, zyklisch aufeinander bezogene Sinfonien (1982-1987) und eine Reihe von Instrumentalkonzerten. Seit Mitte der achtziger Jahre trat in seinen Kammermusiken die Tendenz zu Wohllaut und Kantabilität immer stärker hervor. Auch in früheren Jahren war erniemals ein veritabler Anhänger der Zwölftonmusik gewesen. Denn Dogmatik war ihm fremd: Yun bevorzugte den „strömenden Klang“, den gleitenden Übergang. Seine Begabung lag darin, eine an Spannungen reiche Einheit zu schaffen aus europäischer Notation und asiatischen Spieltechniken.

Isang Yun Foto: David Baltzer/Sequenz

Doch diese in der Musik so perfekte Synthese zweier Welten konnte Yun in seinem politischen Leben nicht verwirklichen: Durch die Teilung seines Landes hin- und hergerissen, wurde der Komponist in Südkorea wegen angeblicher pro-nordkoreanischer Sympathien jahrelang politisch verfolgt. Im Juni 1967 verschleppte der südkoreanische Geheimdienst ihn und seine Frau wegen angeblich „landesverräterischer Beziehungen“ nach Seoul, wo er in einem Schauprozeß zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe verurteilt wurde. 1968 wurde er gegen Kaution aus der Haft entlassen, 1969 kehrten Yun und seine Frau nach Deutschland zurück, ein Jahr später hob Seoul auf massiven Druck der europäischen Öffentlichkeit die Haftstrafe endgültig auf.

Im vergangenen Jahr hatte Yun erstmals wieder eine Einreisegenehmigung nach Südkorea erhalten, um an einem Musikfestival teilzunehmen. Yun trat die Reise jedoch nicht an: Er wolle nicht das Image einer Regierung aufwerten, die ihm nach wie vor seine Freiheit rauben wolle. Seoul hatte es abgelehnt, ihm seine Sicherheit während des Aufenthalts zu garantieren. Statt dessen flog Yun ins nordkoreanische Pjöngjang, wo er an einer Feier zum zehnjährigen Bestehen eines nach ihm benannten Musikinstituts teilnahm. Margot Weber