■ Komplizierte Schachpartie für Lettlands Präsident Ulmanis
: Diverse Bauernopfer – Schach matt!

Um ein Joachim-Siegerist-Kabinett zu verhindern, hat sich der lettische Staatspräsident Ulmanis auf ein riskantes Manöver eingelassen. Er erhob einen unprofilierten Mann zum Ministerpräsidenten, bloß um ihn scheitern zu lassen. Grinblats ist ein Bauernopfer im Spiel um die Macht. Der König steht noch geschützt in der letzten Reihe, er ist ein Kandidat des „Lettischen Weges“, vermutlich der alte Ministerpräsident Maris Gailis.

Damit Ulmanis Rechnung aufgeht, müßte und wird vermutlich auch folgendes passieren: Der erste Regierungsauftrag an die Partei „Vaterland und Freiheit“ erreicht nicht die notwendigen Stimmen für eine Kabinettsbildung. Der zweite Regierungsauftrag an den Konkurrenzblock von Ziedonis Cervers verfehlt ebenfalls das Ziel, was insofern nicht besonders abwegig ist, weil es wegen Siegerists Machtstreben im „Nationalen Versöhnungsblock“ durchaus kriselt. Vor allem in der Mehrheitspartei „Saimenieks“ selbst, die wegen ihrer Liaison mit einem „Affäristen“ die internationale Reputation verspielt. Bekommt dann noch die linksliberale „Harmonie“-Partei des ehemaligen Volksfront-Außenministers Janis Jurkans genügend Druck von außen, ist es um die Mehrheitsfähigkeit des Links-rechts-Notbündnisses geschehen.

Nach der lettischen Verfassung hat dann der Staatspräsident noch ein drittes Mal die Möglichkeit, einen Ministerpräsidenten vorzuschlagen. Dies könnte die Stunde von Maris Gailis oder einem anderen Kandidaten der alten Regierungspartei „Lettischer Weg“ sein, die immerhin im Parlament über mehr Stimmen verfügt als die Rechts-außen-Partei von Grinblats. Er wird alles versuchen, um die beiden konkurrierenden Blöcke aufzubrechen, und zwar mit dem Angebot einer „Zentralregierung“ unter Ausschluß aller extremen Parteien. Sein eigenes Bauernopfer wird die rechtsextreme Partei „Vaterland und Freiheit“ sein, die sich mit dem Versuch, das geltende Staatsbürgergesetz zu ändern, ohnehin schon in die Nesseln gesetzt hat. Cervers Bauernopfer wäre die „Zigeristi“-Partei, die mit ihrem Programm gegen die Korruption vor allem Cervers selbst in die Suppe spucken müßte. Zustande käme dann eine neue Koalition von allen rechtsmoderaten Parteien, mit dem Blümchen der „Harmonie“ versehen. Mit Volkswillen hat das ganze Schachspiel natürlich nichts zu tun. Aber den hat in Lettland sowieso noch niemand ernst genommen. Anita Kugler