Partikel von Visionen

■ Studio 10: 25 Jahre „das neue Werk“

Das Ensemble das neue werk des NDR machte bei seinem Jubiläumskonzert zum 25. Geburtstag seinem Namen alle Ehre und beging das Fest am Mittwoch im Studio 10 mit vier Uraufführungen.

Mit seinem Ensemble-Buch II sorgte Rudolf Kelterborn für den reizvollsten Beitrag des Abends. Über die moribunden Stimmungen der Lyrik Ernst Trakls komponierte er eine luftige Musik für Frauenstimme und Instrumente. Wechselnde Mischungen kleinerer, farbenreicher Kombinationen verschiedenster Instrumente bilden den Untergrund, auf dem der Text erscheint. So kommentiert Kelterborn die traumartigen und verzweifelten Visionen.

Detlef Glanert erkundet in seiner Gestalt Phänomene des Zeitlichen. Ein hölzernes Ticken umrahmt und unterbricht die aufkeimenden Melodien, gemahnt ständig an das Verrinnen der Zeit. Eine volltönende, schwungvolle Studie mit klaren Rhythmen und Jazz-Anklängen.

Gloria Coates bewies, daß sie nicht abergläubisch ist und komponierte ein Stück für 13 Instrumentalisten. Ihr Time Frozen hat mit seinen übersichtlichen, schlichten Verläufen Minimal-Charakter. Das Ohr verinnerlicht schnell die simplen melodischen Strukturen und hält sich bald an das Allmähliche: Klangverschiebungen, Verdichtung und Beschleunigung im fesselnden ersten Satz, das Kreuz der langwierigen Glissandibewegungen oder die ungleich pulsierenden Wellen der folgenden, wenig aufregenden Sätze.

Hinter dem geheimnisvoll wohlklingenden Titel Satyagrata verbirgt sich ein ethisches Lehrstück von Peter Ruzicka: An einer einfachen Kantilene der Streicher erprobt der Intendant der Hamburg Oper ihre Wechselwirkung mit ominösen und störenden Klängen und läßt sie schließlich unter der Übermacht einer entfesselten martialischen Marschmusik mit Pauken untergehen. Doch als das Gewitter vorübergezogen ist, erklingt die Kantilene, zwar schmerzlicher als zuvor, doch bald von der Trompete versilbert. Hilmar Schulz