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SPD will Yuppies umwerben

■ Studie zu „SPD und Großstädten“ mahnt: Wohlhabende nicht vergessen! Ruf nach „sozialer Gerechtigkeit“ reicht nicht

Bonn (taz) – Die SPD erzielt seit rund 20 Jahren in manchen Großstädten kontinuierlich schlechte Wahlergebnisse. Die Gründe dafür analysierte die nach den vergangenen Bundestagswahlen eingerichtete Arbeitsgruppe „SPD und Großstädte“. Fazit: Die SPD müsse verstärkt versuchen, sowohl ihre traditionellen Wählerschichten als auch die modernen Dienstleistungsschichten zu integrieren.

Allein mit dem Ruf nach „sozialer Gerechtigkeit“ könne die SPD nichts mehr gewinnen. Deshalb müsse sie zusätzlich konkrete Themen besetzen, die „fundamentale gemeinsame Interessen“ der Großstädter seien, beispielsweise das Funktionieren kommunaler Dienstleistungen und das Zurückdrängen von Kriminalität. „Ich rate der SPD mit aller Entschiedenheit, sich dem Thema nicht nur per Ursachenbekämpfung anzunehmen, sondern auch im Sinne von Prävention und Repression“, sagte dazu der Vorsitzende der Arbeitsgruppe, Günter Verheugen.

Nach den Ergebnissen der Studie zeigte sich, daß die SPD die veränderte Wohnbevölkerung in den wohlhabenden Wachstumsstädten zu wenig berücksichtigt. Singles oder kinderlose Paare interessierten sich nun mal nicht für Kindergartenplätze. Junge Mittelschichtfamilien ziehen aus der Stadt. Gleichzeitig gibt es in der Partei noch falsche Vorstellungen über ihre großstädtischen Anhänger: Das Einkommen der SPD-Wähler unterscheidet sich nicht mehr wesentlich von dem der CDU-Wähler, rund die Hälfte von ihnen besitzt ein Eigenheim.

Die „Erfahrungsdistanz vieler SPD-Aktiver“ zu denjenigen, die in der Privatwirtschaft arbeiten und dem Wettbewerb stark ausgesetzt seien, sei außerdem Ursache dafür, daß Themen verdrängt würden, die für die Bevölkerung wichtig seien, so das Resümee. Junge Hochschulabsolventen, Studenten, Arbeiter, Selbständige und Nichtberufstätige sind in der Großstadt-SPD wenig anzutreffen.

Allerdings hat die SPD kein ausgesprochenes Großstadtproblem. Schließlich ist sie in Großstädten, wo immerhin ein Drittel aller Wähler leben, immer noch deutlich erfolgreicher als auf dem Land. Aber die deutlichen Einbußen in „Wachstumsstädten, denen es wirtschaftliche besonders gut“ geht, müßten laut Studie als „Frühwarnsystem“ für politische und gesellschaftliche Entwicklungen verstanden werden: In München sank der Stimmenanteil von rund 48 Prozent 1972 auf knapp 33 Prozent 1994. In Frankfurt verloren die Sozialdemokraten im gleichen Zeitraum sogar 18 Prozent der Stimmen.

Ausgenommen von der Untersuchung waren ostdeutsche Großstädte und Berlin. Denn der Zeitraum seit der Einheit sei zu kurz gewesen, um längerfristige Trends ausmachen zu können. Karin Nink

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