Schwabens magisches Elfeck

Nicht nur dank seines vielgerühmten Angriffstrios stach der VfB Stuttgart den glücklich kämpfenden 1. FC Köln beim 2:2 taktisch aus  ■ Aus Köln Thomas Lötz

Bekanntlich ist die Fußballjournaille sprachlich immer um besonders plakativ verdichtende Sinnstiftung bemüht, was an sich nicht unbedingt ein Fehler ist, im Falle der Berichterstattung über die laufende Saison aber zu einem ernsthaften Problem wird. Die neugeschaffene Bilderwelt ist grundsätzlich falsch, und ihre sofort einsetzende kanonische Anwendung verschlimmert das nur.

Verdeutlichen läßt sich dies am Beispiel der Bundesligapartie Köln gegen Stuttgart. Im Zusammenhang mit dem VfB Stuttgart und seinen Offensivspielern Krassimir Balakow, Fredi Bobic und Giovane Elber ist einem der Schergen der Kirchs, Pleitgens und Bertelsmänner unlängst eine neue und natürlich sofort kanonisch gewordenen Supermetapher eingefallen: das Magische Dreieck.

Wer als Außenstehender da zunächst an eine durchaus branchenübliche Schlüpfrigkeit denkt, liegt falsch. Das Magische Dreieck soll der Illustration der starken Stuttgarter Offensivformation mit den Spitzen Bobic und dem Brasilianer Elber sowie dem dahinter stürmenden bulgarischen Mittelfeldspieler Balakow dienen. Des weiteren wird mit der Addition der Tore dieser drei Spieler – und jener, an deren Vorbereitung sie beteiligt waren – dann auch zugleich und ausschließlich die momentane Stärke des VfB erklärt. Zwar ist nicht wegzuleugnen, daß das Magische Dreieck mit seinen zum Teil wunderschön erzielten Toren die gesamte Trefferquote einer Mannschaft wie beispielweise der des 1. FC Köln übertrifft, aber die Spielstärke des VfB Stuttgart allein auf das Magische Dreieck zu reduzieren, ist schlichtweg falsch.

Denn der VfB Stuttgart ist in der Bundesliga derzeit wohl die einzige Mannschaft, der es gelingt, eine Team-Anordnung mit dem gesamten Feldpersonal durchzuspielen. Jeder Spieler in der Mannschaft von Trainer Rolf Fringer ist gleichermaßen in Offensiv- wie Defensivverhalten eingebunden. Libero Verlaat stürmt, Stürmer Fredi Bobic verteidigt auch schon mal am eigenen Strafraum. Die drei Linien der Grundaufstellung werden je nach Spielsituation intelligent variiert. Dann bilden sich wie am Samstag plötzlich Halbkreise von drei Stuttgartern um den ballführenden Kölner Spieler, der nicht mehr weiß, wohin mit dem Ball, ihn verliert und damit den Gegenangriff einleitet.

Forechecking ist ein Begriff, der das alles nur unzureichend erklärt, weil Stuttgart nicht nur beharrlich das Aufbauspiel des Gegners stört und dadurch in Ballbesitz kommt, sondern in imposanter Weise großflächig und verdammt schnell umschalten kann. Und eben nicht nur in bedingungslose Offensive, weil das Magische Dreieck so viele Tore schießt, die Abwehr aber immer schön mitkassiert, wie alle Welt erzählt, sondern auch in rückwärtige Bewegung, sprich: Defensive.

Das alles hätte man am Samstag im Müngersdorfer Stadion sehen können. Aber wahrscheinlich haben sie alle wieder nur auf die von Balakow vorbereiteten Tore Elbers und Bobics geguckt, also auf das Magische Dreieck. Ist ja auch nicht so einfach, wenn man gewohnt ist, das Spiel schön von hinten, vom Ergebnis her, zu erklären.

Das 2:2 nach neunzig Minuten gegen einen glücklich kämpfenden Kölner Gastgeber gibt die Verhältnisse nämlich nicht wirklich wieder. „Zu viele Fehler auf beiden Seiten“, hatte Rolf Fringer am Ende ausgemacht und sich wohl nur über die seiner Mannschaft geärgert. Aber er weiß genau, daß es sein VfB Stuttgart ist, der trotz manchmal noch mangelnder Perfektion den Fußball zur Zeit mehr als nur erträglich macht.

VfB Stuttgart: Ziegler - Verlaat - Herzog, Bochtler - Buck, Haber (76. Kruse), Balakow, Foda (46. Schneider), Kögl (27. Poschner) - Elber, Bobic

Zuschauer: 25.000; Tore: 1:0 Gaißmayer (57.), 1:1 Bobic (62.), 2:1 Goldbaek (72.), 2:2 Elber (78.)

1. FC Köln: Illgner - Hauptmann - Thiam, Baumann - Braun, Goldbaek, Dziwior, Janßen (78. Cichon), Steinmann (80. Wolski) - Polster, Gaißmayer