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Shell will bei den Henkern bleiben

■ Nach den Hinrichtungen: Commonwealth suspendiert Nigeria, Major erwägt Ölboykott, Shell lehnt Rückzug ab

Berlin/Nairobi (taz) – In Port Harcourt patrouillieren schwerbewaffnete Polizisten und Soldaten. In Nigerias größter Stadt Lagos wurde ein Protestmarsch von 3.000 Menschen gewaltsam aufgelöst. Die nationale Studentenvereinigung Nigerias erklärte den regierenden General Sani Abacha und seine Anhänger zu „unerwünschten Personen“ und drohte mit Demonstrationen. Nur langsam reagiert die Bevölkerung auf die Hinrichtung des nigerianischen Bürgerrechtlers und Schriftstellers Ken Saro-Wiwa, der zusammen mit acht weiteren zum Tode verurteilen Aktivisten der Ogoni-Minderheit am Freitag mittag im Zentralgefängnis von Port Harcourt gehenkt wurde. Nigerias Staatsfernsehen und Staatsrundfunk schwiegen die Morde tot.

International ist ein Sturm der Entrüstung losgebrochen. Das in Neuseeland tagende Commonwealth beschloß die Suspendierung der Mitgliedschaft Nigerias für zunächst zwei Jahre. Wenn Nigeria bis dahin nicht Fortschritte in Richtung Demokratie vorzeigen könne, werde es ganz ausgeschlossen, sagte Neuseelands Premierminister Jim Bolger. Am 1. Oktober hatte Nigerias General Abacha den Übergang zur Demokratie für das Jahr 1998 in Aussicht gestellt. Sanktionen beschloß das Commonwealth nicht – mehrere Staatschefs, unter ihnen Kenias Präsident Daniel arap Moi, verteidigten vielmehr die Hinrichtungen. Ken Wiwa, Sohn Ken Saro- Wiwas, äußerte sich gestern nach seiner Rückkehr vom Gipfel „enttäuscht“. Ganz anders die Reaktion der nigerianischen Führung: „Die Regierung und das Volk von Nigeria sind sehr, sehr traurig“, behauptete ein Regierungssprecher.

Großbritannien und die USA verkündeten einen totalen Waffenexportstopp. „Weitere Sanktionen sind wahrscheinlich“, meinte der britische Premierminister John Major. Zu einem Ölembargo sagte er: „Ich schließe das sicherlich nicht aus.“ Morgen berät der Afrika-Ausschuß der EU in Brüssel über gemeinsame Schritte. Südafrikas Präsident Nelson Mandela, der zuvor gegen Sanktionen war, fordert jetzt den Ausschluß Nigerias aus der UNO.

Lazarus Tamana, Sprecher der „Ogoni Community Association“ in London, forderte die Einstellung der gesamten Ölförderung in Nigeria sowie das Einfrieren aller ausländischen Konten der nigerianischen Führung und einen Kultur- und Sportboykott. Die „Gesellschaft für bedrohte Völker“ rief zum Shell-Boykott auf: „Wir dürfen kein Shell-Benzin mehr kaufen, solange dieser Konzern die Heimat Ken Saro-Wiwas zerstört.“ Der Shell- Konzern wies Forderungen nach einem Rückzug aus Nigeria zurück.

Es gibt Stimmen, die die Wirkung von Protesten auf Nigerias Führung anzweifeln. Nigerias Diktator Abacha sei „wie eine Nachtigall“, schrieb der kenianische Publizist Kwendo Opanga: „Die Männchen dieser Vogelart singen melodisch nachts ebenso wie am Tage, aber das Problem ist, daß sie beim Singen die Augen schließen und nichts sehen oder hören außer ihrer eigenen Stimme.“ D.J./bg Tagesthema Seite 3

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