Welcher Wi hält wessen Maul?

Vorsicht vor dem Münchner Ränkespiel: Vor dem EM-Spiel gegen Bulgarien plagen den Nationalspieler Mehmet Scholl ernste Orientierungsprobleme  ■ Aus Berlin Peter Unfried

Vor einiger Zeit fing das an, daß die Frau bei der Arbeit angesprochen wurde. Auf ihren Gemahl. Was das für einer sei! „Es wird immer schlimmer“, sagt Mehmet Scholl. Der junge Mann saß gestern auf einem Tisch im Berliner Hotel Esplanade, und man mochte meinen, er sehe gar nicht recht glücklich aus. Lachte auch nicht wie sonst. Und krähte nicht, sprach ziemlich leise.

Vor dem mittwöchlichen EM- Qualifikationsspiel gegen Bulgarien hat sich nämlich eine Frage ergeben, die unbedingt geklärt werden muß. Aber Obacht: Die Sache ist so delikat, daß selbst Lothar Matthäus erklärt hat, er wolle dazu schweigen.

Es geht zufällig auch darum: Wann darf geredet werden, wann muß geschwiegen werden? Und wer darf wem? Dürfen Fußballer ihrer Vorgesetzten Redefluß mit den Worten: „Halt's Maul, du alter Wi ...“ (Bild) bremsen? Wenn ja, muß das nicht vergessen sein, sobald „der Schiedsrichter abgepfiffen hat“, wie Mario Basler und Franz Beckenbauer gestern seltsam einig erklärt haben? Drittens: Was in aller Welt hat das alles mit Mehmet Scholl zu tun, der eigentlich nach Berlin gekommen war, um endlich mal Ruhe zu genießen?

Zu drei: Nichts. Sagt Scholl. „Weil ich das nicht gesagt habe.“ Zwei andere, die Rostocker Kicker Groth und Beeck, wollen's aber gehört haben vergangenen Freitag, wie der junge Scholl den alten Rehhagel (58) verbal gebremst habe. Die Sache ist manchem wichtig, kann man doch damit prima die angeblich eskalierende Situation beim Bundesliga-Zweiten FC Bayern München demonstrieren („Jeder brüllt nur noch jeden an“/ Bild). Auch den Trainer Otto Rehhagel damit weiter nerven („Ihr wollt immer nur Unfrieden stiften“), drittens dessen Zwist mit dem unzufriedenen Teilzeitarbeiter Scholl vorantreiben.

So ist es eher von minderer Dringlichkeit, nun nach Bändern zu fahnden, die den fraglichen Dialog zwischen Trainer und Spieler wiederzugeben vermöchten. Was man weiß, ist, daß der Trainer „auch kein Kind von Traurigkeit“ ist, wie Mario Basler gestern berichtet hat. Und daß Scholl, 25 inzwischen, seit drei Jahren im dauererhitzten Münchner Klima, dessen Gesetze inzwischen in- und auswendig kennen müßte.

Was er glaubt: „Ich kann ganz ordentlich Fußball spielen, und ich will ganz ordentlich Fußball spielen.“ Dieses zu ereichen hatte er natürlich auch schon mediale Kniffe angewandt, die aber bisher nicht bei Rehhagel verfangen haben. Im Moment aber, und das ist das ihm Unverständliche, überhaupt nicht: Nachdem Mehmet Scholl bemerken mußte, daß „eine eigene Meinung nicht mehr gefragt“ ist, hat er sich nach seiner Verletzung auf die Bank gesetzt, „und nicht mal intern gemeckert“.

Und nun ist er in Berlin, mag sich „mit vollem Herzen“ auf das EM-Qualifikationssspiel konzentrieren. Und? Ist „seit eineinhalb Tagen am Rechtfertigen. Das ist doch Schwachsinn.“ Das Wort Schwachsinn bruddelt er an diesem Tag noch des öfteren vor sich hin. Es ist auch hart: Protagonist Sammer, just auch als Trainerkritiker ertappt, durchlebt ein vierundzwanzigstündiges Schweigegelübde, der kluge Kapitän Klinsmann hat den FC Bayern „für ein paar Tage abgehakt“, um die Hysterie etwas abzukühlen und weniger Sendezeit für etwas Ruhe einzutauschen.

Dafür kann man's mit Scholl machen, hat die eigentliche Nebenfigur (4 Länderspiele) mal wieder voll die Scheinwerfer abgekriegt: „Das einzige, was ich machen kann und will“, sagt er immer wieder, und es klingt wie ein Gebet, „ist gut Fußball spielen.“ Alles andere, was er „das Drumherum “ nennt, „fängt an zu nerven“. Es ist ein Orientierungsproblem: Jeder verfolgt seine eigenen Interessen. Einer bedient sich dabei des anderen. Die anderen müssen aufpassen, nicht von den einen verheizt zu werden. Könnte ja sein, daß das Spiel Drumherum ist, und das Drumherum das große Spiel? „Ich versteh's einfach nicht“, sagt Mehmet Scholl und schüttelt den Kopf, „obwohl ich's langsam wissen müßte.“