Wo steht der Feind der Familie Saud?

■ Der Anschlag vom Montag traf das saudische Regime. Die Opposition wurde zuvor in den Untergrund gedrängt

Berlin (taz) – Nach einem Anschlag einen äußeren Feind für verantwortlich zu erklären ist ein bewährtes Mittel jener Herrscher, die von inneren Problemen ablenken oder diese negieren wollen. Im Falle des Attentats in der saudiarabischen Hauptstadt Riad am vergangenen Montag trat jedoch nicht die saudische Führung mit dieser Theorie an die Öffentlichkeit, sondern US-Botschafter Raymond Nabus. Saudi-Arabien sei umgeben von „verrufenen Nachbarn“ wie etwa dem Iran, sagte er gestern in Riad. Oder wie dem Irak, hätte er hinzufügen können. Schließlich sind das die beiden Regionalmächte, von denen nach Auffassung der US-Administration die größte Gefahr für die konservativ- reaktionären Ölmonarchien am Golf ausgeht.

Seit dem Krieg gegen den Irak 1991 sind in Saudi-Arabien etwa 5.000 Soldaten aus westlichen Ländern stationiert, vor allem aus den USA. Zusätzlich befinden sich rund 8.000 Marines auf 26 Kriegsschiffen in der Region. In Saudi- Arabien leben insgesamt etwa 30.000 US-Bürger, darunter auch Ausbilder für saudisches Militär und Polizei.

Das Gebäude, das bei dem Anschlag vom Montag zerstört wurde, war ein solches Ausbildungszentrum. Hier trainierten US-Militärs und Zivilisten Mitglieder der 57.000 Mann starken Nationalgarde für innere Sicherheit, die von Kronprinz Abdallah bin Abdul Aziz kommandiert wird, dem zweiten Mann hinter König Fahd. Insofern trafen die Attentäter gleich zwei Ziele: die Beschützer der königlichen Familie und ihre ausländischen Helfer.

Die enge Allianz zwischen dem Hause Saud und den USA ist wiederholt auf Kritik radikaler Islamisten in Saudi-Arabien gestoßen und stößt auch im Iran sowie seit 1990 im Irak auf Mißfallen. Das Feld für Spekulationen über die Attentäter ist also weit. Bislang haben sich drei Organisationen zu dem Anschlag bekannt; nur eine, die Islamische Veränderungsbewegung, hat bereits im Frühjahr mit schriftlichen Drohungen gegen die westliche Militärpräsenz von sich reden gemacht. Darin wurde der Abzug der „Kreuzrittertruppen“ bis zum 28. Juni gefordert.

Mit Ausnahme eines Anschlags auf einen amerikanischen Bus im Jahre 1991, bei dem zwei GIs leicht verletzt worden waren, ist das Bombenattentat vom Montag, bei dem sechs Personen getötet und sechzig verletzt wurden, das erste seiner Art. Dies könnte die Folge einer drastischen Repressionspolitik sein, mit der die saudischen Herrscher seit etwa einem Jahr auf vorsichtige oppositionelle Aktivitäten reagieren. Bücher, Flugblätter und Kassetten, in denen Korruption kritisiert und mehr politische Freiheit eingeklagt worden waren, wurden beschlagnahmt; Hunderte Menschen, darunter viele Islamisten, verschwanden in den Gefängnissen; allein in diesem Jahr sollen 150 Menschen enthauptet worden sein, darunter mehrere Frauen. „Die Opposition wurde völlig in den Untergrund gedrängt“, schätzt Aziz Abu Hamad, ein Mitarbeiter der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch in New York, die Folgen dieser Politik ein. „Man kann ernsthaft darüber spekulieren, ob dies dazu geführt hat, daß die traditionelle Opposition ihre Führung an Extremisten abgeben mußte.“ Beate Seel

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