Friedliche Lösung für Hevalti

■ Nach zähen Verhandlungen: Parlamentarier übernehmen Vorsitz in neuem Kurden-Verein

Aufatmen im Büro der Ausländerbeauftragten Dagmar Lill: Sechs Stunden hatte sie zusammen mit Karl Uwe Oppermann (CDU), Barbara Wulff (SPD), Arendt Hindriksen (Grüne) und Andreas Lojewski (AfB) mit dem Vorstand des verbotenen kurdischen Kulturvereins Hevalti verhandelt. Endlich um 17.00 Uhr ein Ergebnis. Borttschellers Ultimatum für das besetzte Haus war von 12.00 Uhr mittags mehrfach verlängert worden, länger als bis 18.00 Uhr wollte er nicht warten.

Alle VerhandlungsteilnehmerInnen außer der CDU konnten sich auf ein Neun-Punkte-Programm einigen. Unter der Schirmherrschaft „von Personen des öffentlichen Lebens“ soll ein Verein gegründet werden. Er soll den in Bremen lebenden KurdInnen „kulturelle und soziale Aktivitäten ermöglichen“ und die Freundschaft zwischen Deutschen und Nichtdeutschen fördern. Die UnterzeichnerInnen wollen bis zur Gründung des neuen Vereins, eine „räumliche Übergangslösung“ für die KurdInnen finden. Vorraussichtlich wird dies in den Räumen des Dachverbandes der Ausländerkulturvereine (DAB) sein.

Justizsenator Scherf soll gebeten werden, die BesetzerInnen und VerhandlungspartnerInnen nicht strafrechtlich zu verfolgen. An Innensenator Borttscheller haben ParlamentarierInnen und KurdInnen mehrere Bitten: Er möge die „beschlagnahmten privaten und persönlichen Gegenstände“ herausgeben. Außerdem soll er die „beschlagnahmten persönlichen Akten in Asylverfahrens- und Wohnungsangelegenheiten schnellstmöglich zurückzugeben“. Sie bestehen des weiteren darauf, daß „die persönlichen Daten aus den sichergestellten Akten nicht an die türkischen Behörden weitergeleitet werden“.

Über diese Punkte waren sich alle Verhandelnden bereits um 15.00 Uhr einig. Einzig Karl Uwe Oppermann, Vertreter der CDU-Fraktion, saß zwischen Baum und Borke. Er selbst wollte scheinbar unterschreiben, sein Fraktionschef Roland-Mike Neumeyer blockte: Er bestand darauf, daß sich in der Grundsatzerklärung klar von der kurdischen Arbeiterpartei PKK distanziert wird. Grundsätzlich hatten sich die deutschen und kurdischen Parteien von „jeglicher Gewalt distanziert“.

Laut einer nachträglichen Pressemitteilung der CDU distanziere sich Oppermann von der Erklärung, obwohl er selbst maßgeblich an ihr beteiligt war. Da er weder für seine Fraktion noch als CDU-Abgeordneter unterschreiben durfte, zogen die anderen Bürgerschaftsabgeordneten auch zunächst ihre Stimme zurück. Hätte Barbara Wulff für die SPD-Fraktion unterschrieben, wäre ein Koalitionskrach unausweichlich gewesen. Der neue Verein wäre dann Sache der Oppositionsparteien AfB und Grüne gewesen, damit wollten Hindriksen und Lojewski auch nicht leben. Es blieb nur eins: „Ich unterschreibe als Mensch“, sagte Barbara Wulff, auch Lojewski fühlte sich als Mensch und unterschrieb. Initiator der Verhandlungen Hindriksen unterschrieb ebenfalls.

Dieses „Frankfurter Modell“ hatte sich bereits am Mittwoch abend abgezeichnet. Die gleiche Runde hatte vor dem besetzten Hevalti-Haus gesessen und nach einer friedlichen Lösung gesucht. Nach stundenlangen Verhandlungen waren sie sich einig, daß ein neuer Verein von den Bürgerschaftsabgeordneten aller vier Parteien gegründet wird.

Ungewöhnlich ruhig verhielt sich Innensenator Ralf Borttscheller. Bereits um 12.30 Uhr – eine halbe Stunde nachdem das erste Ultimatum verstrichen war – waren die Mannschaftswagen der Polizei abgezogen. Da er telefonisch regelmäßig vom Stand der Dinge informiert wurde, heißt dies, daß er den Bitten an ihn zustimmt. Der Schlichtungsrunde hatte er außerdem signalisiert, daß er solange stillhalten werde, wie verhandelt wird. Die KurdInnen im besetzten Haus blieben ebenfalls ruhig: Vor 18.00 Uhr verließen sie die ehemaligen Räume von Hevalti. ufo

Ulrike Fokken