Bezaubernder Tand

■ Wenn die Welt böse ist, helfen Kerze, Öl und Bohnensäckchen – magische Spielereien in Deutschlands erstem Voodoo-Laden Von Ulla B. Wohlwill

Was wäre November, wenn nicht der Monat, in dem die Seele am meisten Hilfe braucht? Was wäre der Spätherbst, wenn nicht die Zeit, in der energetische Löcher am unangenehmsten auffallen?

Wenn der Biorhythmus in den Minusbereich ausschlägt, auch der letzte Geliebte sich kommentarlos verabschiedet hat und am Arbeitsplatz die Wogen der Intrigen über dem eigenen Kopf zusammenschlagen, kurz: wenn die Welt böse ist und das nur mehr schwach flackernde Flämmchen der Liebe im Herzen zu erlöschen droht, muß eines her: Ein „Lucky Bean Charm Bag Spell“. Gibt's in Ottensen bei Ti-Bon-Ange, Deutschlands erstem Laden für Voodoo-Utensilien, für 19,50 Mark. Zum ultimativen, glückbringenden Voodoo-Zauber braucht es eine Kerze, die mit „Old Haitian Tonka Bean“-Öl eingerieben werden muß, bevor sie angezündet wird, und ein Stoffsäckchen mit Glücksbohnen, immer bei sich zu tragen. Kombiniert mit der „Devils Nettle“-Kerze gegen schlechte Gefühle und einer „Wishing“-Kerze, kann frau sich alle Wünsche dieser Welt erfüllen.

Über Liebe kann man nur auf englisch singen (finden Tocotronic), über Voodoo nur auf englisch reden (finden wir). Jedenfalls solange man keine haitianischen Stammesdialekte beherrscht. Das notwendige Vokabular ist jedoch eng umrissen; sollte die geneigte LeserIn ein Wort hier nicht verstehen, heißt es wahrscheinlich „Zauber“. Und was verschenkt sich zu Weihnachten schöner als zauberischer Tand, magische Spezereien und heidnische Symbole?

Beim Rundgang durch den Voodoo-Shop finden wir neben den Kerzen zunächst einmal die „Mojos“, glückbringende Amulette. Ebenso einschlägig wie klassisch ist der „Voodoo Charm“, ein Füllhörnchen aus Ton mit einem Korkstopfen, an einem Lederbändsel um den Hals zu tragen. Darf niemand anfassen als die Besitzerin oder der Besitzer! Das Tonhütchen bringt für 24 Mark vor allem beruflichen Erfolg und fördert phallische Energien wie Durchsetzungskraft, Ehrgeiz und andere Führungsqualitäten.

Worauf es ankommt, wenn es um vielschichtigere Problemlösungen und weniger männlich-plattes Strebertum gehen soll, ist die Kombination von Puder, Kerze und Öl, alles zusammen „Conjure“ genannt. Als unschlagbar gilt zum Beispiel der Zauber „Against Overcoming Love-Problems“. Herzkranke und sentimentgequälte Gemüter finden Erfüllung und Frieden, wenn sie einen Kreis mit dem „Erzilie“-Puder machen, die beiden Kerzen mit dem „Luv Luv Luv“-Öl beschrubbeln und bei Einbruch der Nacht in der Mitte des Kreises abbrennen. Nur 18,50 Mark.

Erzilie ist übrigens das Voodoo-Pendant zur Jungfrau Maria, weshalb es auch nie ganz falsch sein kann, bei Gelegenheit ein Marienbildchen mitgehen zu lassen und es beim Murmeln von Beschwörungen anzustarren. Hat immerhin auch im hiesigen Kulturkreis Tradition.

Klasse auch der „Voodoo Hex“, 14,50 Mark. Man schreibe den Namen einer unliebsamen Person auf eine schwarze Kerze, zünde sie an und blase aus drei verschiedenen Richtungen „Dragon Breath“-Puder in die Flamme. Bestimmt fallen dem Blödmann jetzt die Haare aus, oder er kriegt einen Pickel mitten auf der Nase. Sollten mir irgendwann ähnliche Widrigkeiten passieren oder sich die Indizien häufen, daß übelgesonnenes Pack mir schaden will (schlechte Schwingungen rings um den Kopf, böse Geister, die das Sichtfeld beeinträchtigen u. ä.), bin ich klasse geschützt mit dem „Skull Defeater“ für 26 Mark. Diese schwarze Kerze in Form eines eigentümlich langen Totenschädels – ein bißchen wie Donald Sutherland – eignet sich nicht nur als St. Pauli-Fußball-Devotionalie, sondern schafft, um Mitternacht für eine halbe Stunde angezündet, auch einen Bannkreis um mich herum, durch den anderer Leute böser Zauber nicht zu dringen vermag.

Ti-Bon-Ange, Große Brunnenstraße 56, Altona, offen montags bis freitags von 13 bis 18.30 Uhr, samstags von 11 bis 13 Uhr