Zuckerbrot und Statt-Peitsche

■ Statt Partei will es auf einen Bruch der rot-grauen Kooperation ankommen lassen: Die SPD soll endlich Teamfähigkeit lernen Von Silke Mertins

„Es geht uns um mehr als nur um die Gewerbesteuer“, ließ gestern mittag, nur Stunden vor dem Krisengespräch mit der SPD-Spitze, Statt-Gruppenchef Achim Reichert die grauen Muskeln spielen. „Die Streitpunkte sind austauschbar“, denn der SPD sei die Teamfähigkeit abhanden gekommen. „Wenn wir jetzt nachgeben, sind wir auch in allen anderen Punkten erpreßbar.“ Deswegen will die Schrumpf-Statt-Gruppe jetzt pädagogisch vorgehen: mit Zuckerbot und Peitsche.

Unter dem Titel „Halbzeitbilanz SPD/Statt Partei“ listeten die Phantastischen Fünf um Reichert auf endlosen acht Seiten ihre phantastischen Erfolge auf. Und vergaßen nicht zu erwähnen, wie phantastisch die Zusammenarbeit mit der SPD bisher verlaufen ist. Nach der Auswertung des bisher Geleisteten kommen Reichert und seine Schicksalsgenossen zu dem Schluß, daß vom Studententicket bis zur verläßlichen Halbtagsgrundschule alles den Grauen zu verdanken ist.

Doch der SPD wollte das Zuckerbrot nicht so recht schmecken. In beeindruckender Geschwindigkeit erreichte die Redaktionen das Fax eines anonymen Humoristen aus dem SPD-Fraktionsbüro: „Die vorgelegte Bilanz beweist als Gesamtkunstwerk in beeindruckender Weise, wie energisch sich die STATT-Partei gegen den Widerstand der SPD immer wieder durchgesetzt hat.“ Das ließe „die zaghafte Hoffnung aufkeimen, daß auch die SPD einmal die Möglichkeit bekommt, eigene Akzente zu setzen. Daher werden wir in aller Bescheidenheit die Gewerbesteuer als einen solchen Akzent betrachten.“ Im übrigen wunderte es den anonymen Schreiber, daß Statt nicht auch noch „die Erfindung des Rades“ und „des tiefen Tellers“ in ihre Erfolgsliste aufgenommen habe.

„Ein Dummer-Jungen-Streich“, kommentierte SPD-Fraktionschef Günther Elste mit einem klitzekleinen Schmunzeln das Papier. Vor der heutigen Statt-Partei-Mitgliederversammlung wollte man sich noch mal so richtig ins Zeug legen. Deshalb erwarte er auch nicht, daß Statt vor dem Wochenende „Flexibilität“ zeigen werde. Und danach „fällt uns schon was ein“.

Inhaltlich habe es „keine reale Relevanz“, daß Statt die Erhöhung der Gewerbesteuer nicht mittragen und das gesamte Haushaltspaket, über das am Dienstag im Ausschuß abgestimmt werden muß, blockieren will. Nach einer Abstinenz von vier Jahren bei der Erhöhung der Gewerbesteuer habe sich das Gefälle zwischen Umland und Stadtstaat schon erheblich verkleinert. Und die Abwanderung von Colgate und anderen Firmen hätte mit der Gewerbesteuer nicht das geringste zu tun.

„Bis Dienstag ist nicht mehr viel Zeit“, hob Elste den mahnenden Zeigefinger in Richtung des ungezogenen kleinen Kooperationspartners. Wie SPD und Statt aus diesem Grundsatzstreit ohne Gesichtsverlust herauskommen wollen, kann jetzt richtig spannend werden. „Es kann Neuwahlen, andere Bündnisse oder ein Weiterbestehen von Rot-Grau geben“, faßte Stattianer Georg Berg messerscharf die verlockenden und weniger verlockenden Alternativen zusammen.