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Kinderforscher mit Museumsausweis

■ Jugendmuseum Schöneberg eröffnet mit Ausstellung zum 8. Mai

„Was wollt ihr?“

„Können Sie uns etwas über den Krieg erzählen?“

„Was? Darüber will ich nicht reden. Auf Wiedersehen.“

In Altenheimen, auf der Straße, in der Familie – immer wieder erlebten Schöneberger SchülerInnen diese Szene. 300 kleine ErforscherInnen der Zeitgeschichte ließen sich dennoch nicht entmutigen. Sie befragten alte und junge Leute, was ihnen der 8. Mai 1945 bedeutet, sie gruben in Opas Keller nach Dingen, die das Kriegsende überstanden hatten, sie hielten ihre Erlebnisse mit befragten ZeitzeugInnen auf Papier fest, in selbstgemalten Comics, in Video-Interviews. Aus all dem ist eine wunderbare Ausstellung entstanden. „In einer anderen Zeit“ wird am Sonntag im Jugendmuseum Schöneberg eröffnet. Zugleich öffnet damit auch das erste Jugendmuseum in Berlin seine Pforten.

Als zum 8. Mai schon längst die Gedenkausstellungen liefen und die Gedenkreden gehalten wurden, waren die SchülerInnen der Riesengebirgs-Oberschule mit zwei Kamerateams unterwegs. Sie fragten PassantInnen, ob der 8. Mai 1945 für sie ein Tag der Befreiung war oder ob sie schon mal mit ihren Eltern über den Krieg geredet hätten. „Damals war ich noch im Bauch meiner Mutter“, lächelte ein Türke, nachdem so manche deutsche Oma den Kindern den Rücken gekehrt hatte. Gemeinsam mit ihren LehrerInnen und der Ausstellungsleiterin Petra Zwaka reflektierten sie später diese Erfahrungen. „Wir waren so begeistert von diesem Projekt“, erzählt Schülerin Katrin, „daß wir heute noch darüber reden.“

„Die Kinder waren nicht mehr zu stoppen“, diese Erfahrung machte auch eine Lehrerin der Spreewaldschule. Die Spreewald- SchülerInnen sollten ebenfalls ZeitzeugInnen interviewen. Die Ergebnisse sind in einer „Erzählkabine“ auf Kassetten zu hören. Das „Fenster“ dieser Kabine ist nicht aus Glas, sondern mit Röntgenbildern aus dem kriegszerstörten Rudolf-Virchow-Krankenhaus verklebt – genauso wie damals die Wohnung einer der Befragten.

Damit sich die NachwuchshistorikerInnen wie echte MuseumsmitarbeiterInnen fühlen konnten, wurde ihnen ein „Arbeitskarton“ in die Hand gedrückt. Inhalt: Merkzettel, Leihverträge für auszustellende Objekte und ein Kindermuseumsausweis mit Foto und Stempel. „Vor allem der Stempel war wichtig“, lacht die Ausstellungsleiterin.

Die schon etwas älteren SchülerInnen der Sophie-Scholl-Oberschule brauchten solche Motivation nicht, um in freiwilliger Nachmittagsarbeit die Geschichte des Bunkers in der Pallasstraße zu erforschen. Für seinen Bau setzte die Philipp Holzmann AG 1944 sowjetische Zwangsarbeiterinnen ein. 1986 wurde er zum Atomschutzbunker für 5.000 Menschen umfunktioniert. „Das fanden wir total absurd“, berichten die Schülerinnen. „Für 5.000 Leute reicht der Sauerstoff dort keine 24 Stunden, und draußen ist dann alles kaputt ...“ Ute Scheub

Jugendmuseum Schöneberg, Hauptstraße 40–42, Eingang Heinrich-Lassen-Park, täglich 12–18 Uhr außer Sa. und Mo. Begleitangebote für Schulen im Programm.

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