Schlagerperlen

■ Als Camp noch Camp war: "N3 Schlagernacht", Sa. 1 Uhr

Es gab mal eine Zeit, da waren Cindy & Bert ambitioniert, wie es wohl in den gängigen Feuilletons formuliert worden wäre. Noch weit davon entfernt, „Immer wieder sonntags“ zu beschwören, wagten sie sich sogar – 1971 in der Abendschau des Süddeutschen Rundfunks – an Black-Sabbath-Titel heran. Heraus kam dabei „Der Hund von Baskerville“. Es ist ein besonders gelungener, weil hysterischer, nachgerade besinnungsloser und bizarrer Beitrag aus der weiten Welt des deutschen Schlagers, als er noch nicht von Rumtata-Produzenten wie Jack White dominiert wurde.

Zu sehen wird er sein – neben vielen anderen Fundstücken – in einer von zwei je gut dreistündigen Schlagerrevuen, die Christian Stöffler vom NDR zusammengestellt hat. Samstag nacht um 1Uhr gibt es die erste Hälfte unter der Überschrift „Immer wieder geht die Sonne auf“, kommenden Samstag (dann um 0.55 Uhr) gibt es die zweite Kompilation, dann programmatisch ehrlich betitelt mit der Behauptung „Tränen lügen nicht“.

Stöffler, der wohl erst durch die Redaktion Horst Königsteins („Der Mann im schwarzen Mantel“), dem hiesigen Spezialisten für den „anderen Blick auf die Mythen des Alltags“ (NDR-Pressetext) richtig ans Werk gehen durfte und also die Archive von ARD, ZDF und dem Deutschen Fernsehfunk der DDR plündern konnte, muß wirklich geackert haben: Wer macht sich sonst die Mühe, Hunderte von Stunden leichtester Unterhaltungskost zu sichten – von der „Drehscheibe“ über die „Aktuelle Schaubude“ bis hin zum „Kessel Buntes“, der großen Show aus der Arbeiter- und Bauernrepublik?

Er fand wahre Perlen: Die Jacob-Sisters mit „Sing, Sing, Sing“ 1970 im Iran, bärtige Männer den Kopf verdrehend, Françoise Hardy mit „Was mache ich ohne dich“, Naina Adidahum mit „Heiß“ oder auch Frank Schöbels „Wie ein Stern“, einer der wenigen DDR-Schlager, die auch im Westen Erfolg hatten. Musik, die nicht stört, Bilder, die erinnern: So waren wir auch mal, das fanden wir sehenswert, so mit Muttern zusammen beim Kartoffelschälen oder allein mit der ZDF-Hitparade.

Man kann später die Videocassetten, so hofft auch Königstein, als Partymusik nehmen, man kann es auch archivieren, um es mal den Nachkommen zu zeigen: Als Camp, kultureller Dreck, wirklich noch Camp war und allein schon sprachlich recht zur Reiseform des Campings paßte, weil wir meistens nicht wußten, welch edlen Schund wir uns da antun.

Die Krönung ist freilich der Moderator Bernd Begemann, der sich zwischen einigen Stücken mit Marion Maerz („Er ist wieder da“) über alte Zeiten unterhält : ein Mann mit Schlafzimmerblick und einem Timbre, wie es das seit Roy Black nicht mehr gegeben hat im deutschen Unterhaltungsmilieu. Jan Feddersen