„Wir begraben die Welt“

■ Das Ende der Industriegesellschaft als merkwürdige Geschäftsidee

Hannover – Die Gründungsfeier am Samstag war erst der Anfang für Heimo Schulz Meinen. Im Laufe der Zeit soll „Bios“, so der Name des ersten umweltpolitisch motivierten Bestattungsinstitutes der Bundesrepublik, mehr als nur Verstorbene unter die Erde bringen. „Wir begraben die Welt“, so daß Motto des genossenschaftlich organisierten Unternehmens, das etwa zwanzig Interessierte absegneten. Von Isernhagen bei Hannover aus soll nicht weniger als die Industriegesellschaft zu Grabe getragen werden, wenn die Geschäftsidee „Bios“ zündet.

„Gemacht werden sollen Bestattungen für die, die sich in den kommunalen Regelungen nicht wiederfinden, etwa aus Glaubensgründen. Sie kaufen das Land, auf dem sie bestattet werden wollen“, erklärt der 28jährige Neu-Unternehmer dem bunten Völkchen, das sich in seinen privaten Räumlichkeiten zwischen Tim und Struppi-Comics und Heimcomputer eingefunden hat. Der Universitätsprofessor lauscht neben der Penny-Packerin, wie die Friedhofs- Grundstücke zunächst zu privaten Naturschutzgebieten gemacht und sich dann völlig selbst überlassen werden sollen.

Nach und nach soll der Zivilisation so nach streng kapitalistischen Methoden die Natur quadratkilometerweise entrissen werden. Der Gewerbeschein zeigt, daß es Schulz Meinen ernst ist. „Wir wollen gewinnorientiert arbeiten, wir sind keine politische Initiative, sondern ein Unternehmen.“ Die nämlich, das ist für ihn die Lehre aus seiner wirkungslosen Bürgerinitiativenzeit, haben in dieser Gesellschaft freie Hand.

Doch erstmal muß Politik gemacht werden. „Bios“ muß zunächst erwirken, daß jenseits der klerikal ausgewiesenen Friedhofsflächen überhaupt bestattet werden darf. Bislang ist das nur in Ausnahmefällen erlaubt. Mit religionswissenschaftlichen Argumenten will man davon überzeugen, daß die Zeit der zentralstaatlich organisierten Totenruhe vorbei ist.

Damit steht „Bios“ nicht allein. Auch etablierte Hannoveraner Bestattungsinstitute gründeten jüngst einen Verein, um ein vom Kirchlichen losgelöstes Krematorium betreiben zu dürfen. Darf „Bios“ erst einmal arbeiten, glaubt der Alternativ-Bestatter wenigstens „zwischen 10 und 30 Prozent“ der Republik als umweltfreundlichen Friedhof nutzen zu können und so den „geordneten Rückzug“ aus der Industriegesellschaft zu forcieren.

Vorausgesetzt natürlich, die Idee kommt an. „Die fünf Prozent, die freakig drauf sind“, hat „Bios“ im Visier. Mit der Solvenz der Unterstützerschaft, die Schulz Meinens Thesen diskussionslos schluckt, ist es aber nicht allzuweit her. Bei Studentin Christine aus Leipzig sieht es „im Moment finanziell etwas knapp aus“. Und auch Zeitungsausträger Manfred, 32, sicht sich bei aller Sympathie für das Projekt noch nicht in der Lage, für das Gelände zu zahlen, auf dem dann dereinst seine Gebeine ruhen sollen.

L.R.