Dumme Schweine

■ In dem ZDF-Dreiteiler "Tödliche Wahl" weiß man schon vor dem Vorspann, es geht um Neonazis (Teil 1: 20.15 Uhr)

Das Panflöten-Intro beschwört unweigerlich multikulturelles Erinnern an „El condor pasa“ und Ponchos mit kleinen Lamas drauf. Weil's einen bei den Begleiterscheinungen der an sich total guten Sache schon immer gruselte, fühlt man sich gleich ein bißchen schlecht. Kalter Wind wirbelt viele braue Blätter auf, die sich in einer Ecke sammeln. In der Fußgängerzone tanzt eine schwarze Frau mit einem weißen Mädchen zur Anden-Band. Die Mutter des Mädchens hat darauf keinen Bock. Im Türkenladen möchte eine Kundin „ein Fladenbrot, bitte“. Kurze Zeit später tropft aus dem Verkäufer viel Blut. Ein Überfall durch schwarzvermummte Neonazis richtete das an. Erst jetzt folgt der Vorspann. Unter dem Titel „Tödliche Wahl“ wird in der Fußgängerzone ein Sarg verladen.

„Bitte helfen Sie verhindern, daß der ,neue Stromberger‘ mit dem Etikett ,Neonazismus-Film‘ versehen wird“, bat Hans Janke die Presse kurz vor der Präsentation. Das windend vorgetragene Anliegen des Leiters der ZDF- Hauptredaktion „Fernsehspiel“ kam etwas schräg rüber, hatte es doch augenscheinlich so gar nichts mit dem des Autors Robert Stromberger gemein. Die 65jährige Autoren-Ikone („Tod eines Schülers“) hat zusammen mit Regisseur Peter Deutsch nämlich überaus sorgfältig darauf geachtet, daß bereits vor dem Vorspann kein Zweifel mehr daran besteht, worum es auch im Rest des gut fünfstündigen Dreiteilers gehen wird: um Neonazis, um Neonazis und noch mal um jene.

Acht Millionen Mark kostete schließlich die Produktion der Trilogie von Männern, die irgendwie mutig „Attraktivität und Anspruch“ zu „Qualitätsfernsehen“ verbinden wollten, ohne dabei freilich zu sehr ins Gerede zu kommen. Am peinlichsten berührte die Luschigkeit des Blicks „auf die Wirklichkeit der Neunziger“, die doch laut ZDF-Presseheft den Zuschauern „provozierend zurückgespielt“ werden sollte.

So legte Robert Stromberger auf der Pressekonferenz wortreich seine Vision von Hauptdarsteller Jürgen Prochnow dar, eines „grauen Wolfes“, der „durchtrainiert bis zum letzten“ sei. Pech, daß Prochnow alias Alex Bronner in „Tödliche Wahl“ eine Oben-ohne- Szene hat, die den Hüftspeck des mittlerweile 54jährigen Mimen offenlegt. In ihren Köpfen klar konturiert auch die Vorstellung von Rechtsradikalen, die Autor und Regisseur eins zu eins filmisch umsetzten. Da arbeitslos und von tumbem Gemüt, geben junge Neonazis in „Tödliche Wahl“ gern zu, sich in Bronners Kneipe „Burg Rheinfels“ vor allem zum „Koma- Saufen“ unterm Hakenkreuz zu versammeln.

Stellvertretend aus der rechten Masse modelliert werden Bronners trampeliger, „rübergemachter“ Koch, auf dessen Glatze ständig wechselnde Wunden bluten, und Beleuchter Kabitz, der als kinderloser Single den Sparmaßnahmen im Theater zum Opfer fällt, obwohl sein Konkurrent, „ein Jugo, der immer blau macht“, den Job behält. Der genretypische Anführer, Michael Naumann (Günther Maria Halmer), erinnert mit glasigem Blick und fanatischer Schäferhundliebe an jenen Nazichef aus den „Blues Brothers“, der immer weiße Gipsadler braun anpinselt.

Auch die einzige Figur, die trotz starkem Rechtsdrall smart daherkommt, ändert nichts an der klischierten Darstellung der Szene. Denn Bronners Stieftochter Conny (Anja Kling) fehlte in der Jugend die Orientierung durch eine starke männliche Hand, zu der sie nun verspätet und von „gesundem Nationalstolz“ salbadernd eine überstarke Affinität entwickelt. Die Hand, die sie unter anderen ergreift, gehört Abdul Asumeidi (Jurai Kukura), einem Palästinenser, der Naumanns Naziorganisation für die Ermordung prominenter Juden bezahlen will.

In „Tödliche Wahl“ wurde auf einfache Erklärungen und darauf geachtet, daß alle Neonazis recht schnell als dumme oder arme Schweine zu erkennen sind. Daß der Film im quälenden Bemühen, die Zuschauer in bequemer Distanz zum Bösen zu halten, am Ende doch zweideutig bleibt, haben wir Alex Bronner zu verdanken. Der nämlich darf für alle verständlich am Ende reichlich rot sehen, er ist schließlich im Namen des BKA unterwegs.

Daß Bronner uns final verschärft selbstjustizmäßig die Waffe in die Hand drückt, will Stromberger nicht gesehen haben. Der Schluß sei einfach der „filmischen Gerechtigkeit wegen“ unumgänglich gewesen. Klar, fünf Stunden machte sich der Held allein und undercovered ans stückweise Aufräumen, ohne je schwach zu werden, da hatte er natürlich eine Belohnung verdient. Warum nur hatte ich am Ende mehr Angst vor dem Aufräumer als vor den armen dummen Schweinen? Claudia Thomsen

Teil 1 („Der Gegner“) heute, Teil 2 („Die Feindin“) am Mittwoch, Teil 3 („Das Opfer“) am kommenden Samstag, immer 20.15 Uhr im ZDF