Nachschlag

■ Nach Shakespeare: „Macbeth“ von Lubricat im Tacheles

Von Flaschen und Menschen Foto: Thomas Aurin

„Guten Abend. How are you?“ Eine charmante Dame im gelben Kostüm begrüßt das Publikum im verwitterten Theatersaal des Tacheles. Und dann passiert erst einmal nichts. An einer langen Tafel in der Mitte des Raumes sitzen zwei weitere Damen und rühren sich kaum. Eine von ihnen ist Lady Macbeth. Aber das Drama ist abgetragen, man langweilt sich bei Tisch. Auftritt Macbeth. Er trägt einen Strampler im Kettenhemddesign, brüllt, japst, schluchzt und fummelt sich aus seiner Kleidung. Halbnackt, mit einem roten Morgenrock überm weißen Miederhöschen kommt er zur Ruhe, nimmt Platz und spricht seiner Frau das Tischgebet nach: „Wenn es im Kopf blutet, schmeckt es hinten im Hals nach Metall.“ „One world – no name“ ist die Macbeth-Variante der Gruppe Lubricat übertitelt, und wir schreiben den Zeitpunkt nach jeglicher Schlacht. Fleance, der Sohn jenes Banquo, den Shakespeares Macbeth ermorden ließ, weil ihm prophezeit wurde, Vater eines Königsgeschlechts zu sein, sitzt als Diener in der Ecke und raucht. Auf seinem kurzen Pullover steht „Scotland“. Derweil skandiert Macbeth würgend das Wort „Königs- ge-schlecht“, und seine Lady meint, er sehe das zu negativ. Irgendwann singt die andere Lady auf einem Thron aus Tisch, Stuhl und vier Flaschen, später rennt sie immer wieder gegen eine Tür. Und die gelbe Dame lächelt im Hintergrund.

Regisseur Dirk Cieslak verweigert dem Publikum Shakespeare und führt es statt dessen in die Echtzeitzelle. „Tausendmal gehört, tausendmal gesehen“, kann die Geschichte von Schicksal, Mord und Wahn endlich fortgeschrieben werden als Partitur der Übersprungshandlungen. Nur das Banale währet ewiglich, und das Drama lebt fort im Nummernprogramm mit Pausen. Wie Armin Dallapiccola, Miriam Fiorideponti und Annette Hildebrand zögerlich Rollen aufnehmen und wieder fallenlassen, wie sie in Ekstase geraten und in sich zusammensinken, erinnert nicht selten an den bekannten Volksbühnenton, aber sie sind dabei gespenstisch einsam und melodiös. Und Dallapiccola nutzt die Gelegenheit, die Diva im Mann zu beschwören. Er ist Engel, Schwächling, Herr und Hure, ist wüst und elegant und grausam fern. „Mein Name ist Mac...“ sagt er mehrfach und bricht ab. Aber dabei erregt er sich an seinen Brustwarzen und gräbt die Hände tief in eine Melone. „One world – no name“ ist ein Seelenzaus-Reigen. Mal peinlich, mal trostlos, mal schön – wie das Leben nach Shakespeare eben so ist. Petra Kohse

Bis 28. 11., 20.30 Uhr, Tacheles, Oranienburger Straße 53-56