„Das ist eine ethnische Teilung“

■ Der bosnische Schriftsteller Izet Sarajlić aus Sarajevo ist enttäuscht über das Abkommen von Dayton, aber auch erschöpft

Izet Sarajlić lebt seit 1945 in Sarajevo. Er studierte Literaturen der slawischen Völker, war als Redakteur und Verlagslektor tätig und zählt in Bosnien zu den bedeutendsten Literaten. In deutscher Sprache erschien im Verlag Im Waldgut in Frauenfeld/Schweiz ein Band seiner Gedichte mit einem Vorwort von Hans Magnus Enzensberger.

taz: Herr Sarajlić, in Dayton ist eine Einigung zu Sarajevo erreicht worden: Sarajevo bleibt geeint. Doch einige Stadtteile der bosnischen Hauptstadt sollen unter serbischer Administration bleiben.

Izet Sarajlić: Für mich ist das nicht mehr Sarajevo. Das ist dann nicht mehr eine ganze Stadt. Das sind drei Viertel einer Stadt. Das ist eine ethnische Teilung. Aber in unserem Sarajevo werden alle leben, doch in den serbischen Stadtteilen nicht. Auf unserer Seite leben Muslime, Serben und Kroaten, und dies wird weiterhin so sein. Die serbischen Stadtteile werden ethnisch fast rein serbisch bleiben.

Was bedeutet das konkret?

Wir haben muslimische, kroatische und serbische Freunde, die in diesen serbisch kontrollierten Stadtteilen wie Grbavica gelebt haben und in das freie Sarajevo geflohen sind. Sie würden sich sehr freuen, in ihre Wohnungen zurückzukehren. Doch ich glaube, daß unsere Freunde nicht wieder zurückkehren wollen, wenn diese Stadtteile verwaltungsmäßig abgeteilt werden. Unsere Freunde verstehen sich als Bosnier und nicht zuerst ethnisch. Sie wollen in Bosnien leben, mit den anderen Volksgruppen zusammen.

Werden die serbischen Stadtteile wie hinter einer Berliner Mauer liegen?

Überall, wo eine Grenze zwischen uns und diesen Serben besteht, wird eine Berliner Mauer existieren. Jene, die vier Jahre schlachteten und mordeten, und diejenigen, die vier Jahre im Krieg weiterhin Gedichte schrieben und Mozart spielten, können nicht zusammenleben.

Herr Sarajlić, sind Sie dafür, daß der Krieg auf keinen Fall wieder aufflammt, auch wenn dies nur durch einen solchen Frieden erreicht wird?

Wir alle sind für den Frieden. Wir haben genug. Es dauert schon zu lange. Aber insgesamt ist es ein ungerechter Frieden. Es ist eine Schande, daß Bosnien mit dieser schrecklichen Tragödie ein Test für die Wahlkampagne in den USA ist. Interview: Johannes Vollmer