■ Der SPD-Vorsitzende von Mecklenburg-Vorpommern, Harald Ringstorff, erkennt in zentralen Politikfeldern eine größere Nähe seiner Partei zur PDS als zum Koalitionspartner CDU. Die größten Differenzen bestehen in der Wirtschaftspolitik.
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taz: Wie lange noch hält die Große Koalition in Mecklenburg- Vorpommern?

Harald Ringstorff: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Dies hängt immer von zwei Seiten ab. Alle Spekulationen und Fernprognosen über den unmittelbar bevorstehenden Koalitionsbruch sind allerdings ziemlich weit hergeholt.

Eine Koalitionskrise hat es doch gegeben?

Die CDU hat die Grenzen ihrer Macht nicht respektiert. Sie hat den Geist der Koalitionsvereinbarung mehrfach verletzt. Die CDU war in der Schulpolitik auf dem Wege, auch Inhalte der Koalitionsvereinbarung zu verletzen.

Die CDU wirft Ihnen den Bruch der Koalitionsvereinbarung vor, weil sie gemeinsam mit der PDS gegen Teile der Haushaltssperre gestimmt haben ...

Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Beide Koalitionsparteien haben zusammen den Haushalt aufgestellt und verabschiedet. Da kann ein Partner nicht einseitig, ohne den anderen zu informieren, eine Haushaltssperre aussprechen. Im konkreten Fall haben wir mit der PDS gestimmt, um den Stopp der Finanzierung für die Jugend- und Sozialarbeit sowie für die Wohlfahrtsverbände zu verhindern. Angesichts der sozialen und wirtschaftlichen Situation des Landes konnten wir das nicht zulassen. Die SPD läßt sich nicht bis zur Unkenntlichkeit verbiegen.

Was wollen Sie dagegen machen?

Ich hoffe, in der CDU ist jetzt wieder Vernunft eingekehrt. Auch bei der Frage des Schulgesetzes ist die CDU nach langen Diskussionen auf den Boden des Koalitionsvertrages zurückgekehrt.

Das Schulgesetz ist im Kabinett erst im sechsten Anlauf verabschiedet worden, da kann das Klima in der Großen Koalition nicht besonders gut sein?

Ich gehe davon aus, daß die CDU zur Besinnung kommt. Unser Mannheimer Parteitag hat der Koalition hier ganz gutgetan. Die CDU hat ja vorher vielleicht geglaubt, es gäbe in Mecklenburg- Vorpommern zu dieser Regierung keine Alternativen, weil der SPD- Vorsitzende Rudolf Scharping heißt.

Jetzt haben Sie nicht mehr Scharping im Rücken, sondern Oskar Lafontaine. Der setzt auf eine linke Mehrheit und schließt darin die PDS ein. Da entstehen für Sie in Mecklenburg-Vorpommern doch neue Spielräume?

Es ist sehr vernünftig, daß mittlerweile auch andere Politiker, Sozialdemokraten wie Konservative, zu der Auffassung gelangt sind, die Ausgrenzung der PDS ist nicht der richtige Weg, die Menschen davon abzuhalten, die PDS zu wählen. Wir müssen uns inhaltlich mit der PDS auseinandersetzen, und wir müssen den Mitgliedern dieser Partei die gleichen Möglichkeiten einräumen wie den ehemaligen Mitgliedern der Blockparteien.

Was bedeutet das?

Es ist ja zumindest in der westdeutschen Öffentlichkeit kaum darüber diskutiert worden, in welch unverfrorener Weise sich die CDU 1990 zwei Blockparteien aus der DDR einverleibt hat. Die CDU hat einen äußerst robusten Magen bei der Verdauung politischer Altlasten gehabt. Wir dürfen nicht zulassen, daß in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, die CDU sei im Osten früher im Widerstand gewesen. Genauso aber, wie man den Blockflöten zugestanden hat, zu anderen Erkenntnissen gekommen zu sein, so muß dies auch für ehemalige SED- Mitglieder gelten, die heute in der PDS sind.

Also spricht in den neuen Bundesländern grundsätzlich nichts gegen Koalitionen mit der PDS?

Teile der PDS pflegen immer noch die DDR-Nostalgie, und es gibt auch in der PDS Mecklenburg-Vorpommerns einige Mitglieder der Kommunistischen Plattform. Diese lehnen unsere Republik schlichtweg ab. Mit solchen Leuten kann man natürlich nicht koalieren.

Wird in der Landtagsfraktion der PDS nicht realistische Oppositionspolitik gemacht?

Die PDS-Abgeordneten im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern präsentieren sich als gut vorbereitete und kompetente Abgeordnete. Sicherlich kann man eine Zusammenarbeit da nicht mehr für immer ausschließen.

Der neue SPD-Vorsitzende, Oskar Lafontaine, vertritt, wie auch führende SPD-Politiker aus dem Osten, die Auffassung, daß nichts in der Politik auf ewig festgeschrieben werden kann.

Gregor Gysi hat Ihnen vor einigen Tagen quasi ein Tolerierungsangebot gemacht ...

Wir haben ja im letzten Jahr schon mit der PDS gesprochen. Abgesehen von den „notwendigen Klarstellungen“*, die noch nicht zur Gänze erfolgt sind, lehnt die PDS das wichtigste Infrastrukturvorhaben in Mecklenburg-Vorpommern, die Ostseeautobahn, ab. Man müßte in Gesprächen herausfinden, ob sie an einem solchen Punkt bereit ist, ihre Haltung zu korrigieren.

Allerdings beobachte ich sehr genau die Entwicklung in Sachsen- Anhalt. Reinhard Höppner ist auf dem SPD-Parteitag demonstrativ mit großer Mehrheit in den Bundesvorstand gewählt worden. Dies war sicherlich ein Zeichen dafür, daß seine Politik honoriert wird. Mir haben gestern auf einem Unternehmertag Vertreter der Wirtschaft gesagt, ihre Befürchtungen seien in Sachsen-Anhalt inzwischen völlig ausgeräumt werden.

Also wäre auch die Wirtschaftspolitik kein unüberwindbares Hindernis für eine Zusammenarbeit? In der Bildungs-, der Kultur- und der Sozialpolitik haben Sie ja selbst bereits eine größere politische Nähe der SPD zur PDS als zu CDU ausgemacht.

Das ist so. Aber eine Zusammenarbeit hängt davon ab, wie weit sich die PDS in der Wirtschaftspolitik noch bewegt. Bisher tritt die PDS mit Forderungen auf, die darauf hinauslaufen, daß sie wieder mehr Staat in der Wirtschaft möchte. Dies ist nicht die geeignete Methode, um die Wirtschaft voranzubringen.

Aber auch Sie arbeiten in der Wirtschaftspolitik mit Subventionen und staatlichen Beteiligungen...

Sicherlich muß der Staat in einigen Fällen helfen und seine Möglichkeiten nutzen, Unternehmen im Land zu stabilisieren. Aber die PDS muß sich daran gewöhnen, daß auch Insolvenzen zu einer Marktwirtschaft gehören. Der Staat kann nicht gegen den notwendigen Strukturwandel ansubventionieren.

Sie pokern hoch. Wollen Sie 1998 mit mehr Profil aus der Großen Koalition herauskommen, oder wollen sie vorher mit Hilfe der PDS selbst Ministerpräsident werden?

Durch Pokern kann man sein Profil in einer Koalition nicht beweisen. Dies kann man nur durch vernünftige Politik. Wir haben gegenüber der CDU deutlich gemacht, daß wir kein Juniorpartner sind, sondern ein gleichberechtigter Partner. Wenn das die CDU nicht akzeptiert, dann hat das bestimmte Konsequenzen.

Interview: Christoph Seils

*Die „notwendigen Klarstellungen“ forderte die SPD 1994 von der PDS als Vorbedingung für eine Zusammenarbeit. Dazu zählten die Anerkennung der Zwangsvereinigung von SPD und KPD als Unrecht, die Anerkennung des Grundgesetzes und die Zusage, daß die Kommunistische Plattform die Politik der PDS nicht beeinfluße.