Der Kotau eines Handlungsreisenden

■ Opposition geißelt Kohls Armeevisite in China als „Kniefall vor den Schlächtern“

Berlin (AP/taz) – Der Besuch des Kanzlers bei einer chinesischen Militärdivision hat gestern im Bundestag zu einer scharfen Kontroverse geführt. In der von Bündnis 90/Grüne beantragten Aktuellen Stunde zu Kohls Chinareise bemängelte die Opposition, der Kanzler habe einen Kniefall vor den „Schlächtern vom Platz des Himmlischen Friedens“ gemacht.

Kohl hingegen erklärte, Ziel seiner Reise sei der Ausbau wirtschaftlicher Beziehungen gewesen. Die Reform Chinas sei „letztlich eine Schicksalsfrage für die ganze Welt“. Da die wichtigsten Machtfaktoren in China Partei, Verwaltungsapparat und Armee seien, müßten alle drei in einen sicherheitspolitischen Dialog einbezogen werden. Er habe die Militäreinheit besucht, um sich über Aufbau, Struktur und Laufbahn in der Armee zu informieren. Den jüngeren Offizieren müsse man die Chance geben, eine freiheitliche Demokratie kennenzulernen.

Scharfe Kritik gegenüber den dezidiert wirtschaftlichen Interessen der Regierung übten dagegen SPD, Grüne und PDS. Kohl habe als erster westlicher Regierungschef die chinesische Armee rehabilitiert und sich für „das große Geld“ statt für die Menschenrechte entschieden, sagte der Bündnisgrüne Ludger Volmer.

Rudolf Scharping griff in seiner ersten Rede seit seiner Vertrauensbestätigung durch die SPD- Bundestagsfraktion den Kanzler ungewohnt kämpferisch an. Kohl habe sich als „Meister der falschen Symbole“ erwiesen und die Menschenrechte zum „Ornament von Wirtschaftsbeziehungen“ gemacht. Dies empfinde er als „Kotau“ gegenüber den Militärs.

Der SPD-Abgeordnete Gernot Erler kritisierte, Kohl habe „keine einzige wichtige Frage“, wie beispielsweise Chinas Atomtestversuche oder die Unterdrückung Tibets, thematisiert, sondern statt dessen Waffenprospekte in chinesischer Sprache bei der Armee ausgelegt.

Die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen, Angelika Beer, warf Kohl vor, „Macht, Moneten und Militär“ über die Menschenrechte gestellt zu haben. Die sogenannte stille Diplomatie der Bundesregierung sei in dieser Hinsicht nur ein „beredtes Schweigen“. Ihr Fraktionskollege Volmer nahm Bezug auf den Satz „Soldaten sind Mörder“ und resümierte: „Wenn das auf irgendeine Armee zutrifft, dann auf die chinesische.“ Der Kanzler habe mit seiner Armeevisite „die Grenzen von Anstand und Geschmack deutlich überschritten“. Man könne ein derartiges Verhalten gerade noch „irgendeinem trotteligen Handelsvertreter“ verzeihen, nicht jedoch dem deutschen Bundeskanzler.

Einstimmig forderte der Bundestag die sofortige Freilassung des chinesischen Dissidenten Wei Jingsheng gefordert. Wei Jingsheng war zwei Tage nach der Abreise von Bundeskanzler Kohl in Peking erneut verhaftet worden. Ihm wird vorgeworfen, einen Umsturzversuch geplant zu haben. nat