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Wo Tannen nur Natursymbole sind

Im Hobbyland erfüllt sich die Wirklichkeit im Detail. Einige Gedanken anläßlich der Hobbymesse  ■ Von Andreas Seltzer

Wohin zieht's uns an diesem Tag? Ins Anzugparadies, in den Bierhimmel oder zum Schokoladentraum? Nein, heute lockt das Basteln und Löten, Kleben und Sägen. Wie das gemacht wird und wofür, das zeigt die Hobbyland-Verkaufsausstellung am Funkturm.

Dort geht es um die Überschaubarkeit, den kleinen Maßstab und – sozusagen – den Mann im Kinde. Denn da röhrt und hupt eine Armada der Mini-Trucks, chromglänzend, blankpoliert, mit kleinen Büffelhörnern an der Kühlerspitze, breitem Rammschutz an der Vorderfront und Dachlampen, die unablässig Signale geben: Wir wollen unbedingt nach Westen, auf den Highway Nr. 1; wir wollen Prämien holen und irgendwann auf dem Podest gefeiert werden genau wie jener „Peterbilt 359 Conventional“ im Maßstab 1:8, gebaut in 1.800 Arbeitsstunden von Herrn Gördel aus Berlin.

Aber noch wärmen sich die Tanklastzüge und Holztransporter in karger Spielzeuglandschaft auf und werden mit Fernsteuerungen über schmale Brücken gelotst, vorbei an einsamen Bauernhäusern und einer Kirche, aus der es andächtig leuchtet. Da und dort steht eine Tanne, ein Natursymbol. Denn Landschaft, die sehen die Modellbauer prophetisch: Landschaft ist reine Tektonik, die keines Grünzeugs mehr bedarf. Autobahnen und Gleisanlagen bilden das Korsett, das Sicherheit verspricht. Der Wald ist abgeholzt – bis auf einen Rest, der den Hochständen der Jäger als Tarnung dient.

„Wirklichkeit und Modell, das sind Angelegenheiten des Größenunterschieds“, heißt es im „Flug des Phönix“ – einem Film über eine Bruchlandung in der Wüste, in dem die fieberhaften Reparaturversuche der Überlebenden gezeigt werden und die Erfolge eines Mannes, der sich als Flugzeugkonstrukteur vorstellt.

Als die Passagiere ihn fragen, welche Maschinen er gebaut hat, bekommen sie zur Antwort: „Modellflugzeuge“. Entsetzen macht sich breit, doch dem Tüftler gelingt das beinahe Unmögliche: Er fügt aus den Wrackteilen ein neues Flugzeug zusammen, das sich zu guter Letzt in die Luft erhebt und Kurs auf den nächsten Flughafen nimmt. Modellbauer sind Experten des technischen Details. Ob die Flügelfläche der „Spirit of St. Louis“ oder die Ankermaße der „St. Maria“ – sie vergessen nichts. Weiterentwicklungen von Autos, Schiffen oder Flugzeugen nehmen sie auf und bauen dann nach. Und in dieser Welt der ungebrochenen Faszination, die vom technischen Gerät und seiner Miniaturisierung ausgeht, hat alles seinen rechten Platz. Schon ein umgestürzter Modellbaum, eine blockierte Schranke grenzen an Anarchie, Fehlstarts und Kollisionen sind Prestigeverluste.

Nachweise für eine geregelte Freizeit

Im Hobbyland gründet sich das Spiel ausschließlich auf die Sicherheiten des Vorhandenen. Ist das Szenarium erst einmal aufgebaut, dann geht es nur noch um den störungsfreien Ablauf und das Funktionieren der Maschinen: Ein Zug fährt los, und ein anderer hält, da wird geblinkt, dort wird gehupt. Und was passiert da auf dem großen Wasserbecken, das ferngelenkte Boote durchpflügen? Jedes zieht brav seine Bahn, hält seinen Kurs. Wie schön wäre doch eine Verfolgungsjagd, die der Seenotkreuzer „Hermann Helms“ und der Hochseeschlepper „Harry Hunter“ sich bis zur Versenkung liefern würden!

Doch dagegen sträubt sich des Modellbauers Sinn; als Kosten- Nutzen-Rechner kennt er den Wert seiner Miniaturen. Je höher die Anzahl der Freizeitstunden, die er ihnen widmet und je mehr Material er verbraucht, desto mehr wird das Gebastelte zum Kleinod. Und an solchen Schätzen ist das Hobbyland reich: Ob Schlachtschiff „Tirpitz“, Diesellok B 17 oder der Tornado mit Sidewinderraketen, alle Objekte zeigen sich als die Summe vieler Mußestunden, als Nachweis für gesellschaftlich anerkannte und geregelte Freizeit.

Der Weg zur Perfektion ist freilich steinig. Kein Hobby ohne Hobbyraum und das nötige Werkzeugarsenal. Viele Regionen im Hobbyland sind dem Zubehör gewidmet: Da gibt es die Antriebsspezialisten für die Batterien und Kleinmotoren; die Anlagenbauer mit ihren Modellier-Rezepten und dem Baum- und Buschwerk zur Belebung des Terrains – und da sind die Feinmechaniker, die alles bieten, was für eine exakte Arbeit nötig ist. Bohrer, Drehbänke, Fräser, Meißel, Meßwerkzeuge.

In den Randbereichen des Hobbylands führen die Seidenmaler, die Keramiker und Marionettenschnitzer ein stilles Dasein. Aber was entdecken wir da auf dem Tisch einer Perlenstickerin aus Idstein? Ein Tuch, auf dem in zierlicher Schrift ein altbewährter Satz steht, der auch das Motto dieser Ausstellung sein könnte: „Ohne Fleiß kein Preis“.

Die Hobbyland-Verkaufsausstellung für Modellbau, Modelleisenbahn, Hobby-Elektronik und Spiel dauert bis morgen 10–18 Uhr, Messegelände Berlin, Messedamm 22, Charlottenburg

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