Fünfzehn Wege zur Hochschulreife

■ Auch in vielen anderen EU-Staaten gibt es 13 Schuljahre. Deutsche Kultusminister erwägen eine frühere Einschulung

Nirgendwo sonst in Europa sind SchulabgängerInnen so alt wie in Deutschland, so die Klagen aus Wirtschaft und Politik. Das stimmt nur bedingt. 13 Schuljahre bis zur Hochschulreife haben etwa die Hälfte der EU-Staaten in ihren Bildungsplänen verankert, darunter Italien und Großbritannien. In den Niederlanden und Luxemburg währen die Pennälerkarrieren sogar 13 bzw. 14 Jahre, weil eine Vorschulpflicht besteht. Dagegen können in Irland die SchülerInnen nach elf Jahren mit dem Studium an jeder Universität in der EU beginnen.

Das Durchschnittsalter der AbiturientInnen (19 Jahre) ist in Deutschland wie in fünf anderen Staaten das höchste, in der übrigen EU sind die SchulabgängerInnen in der Regel ein Jahr jünger. Die Einschulung findet in der BRD mit sechs Jahren sehr spät statt, in den meisten anderen Ländern wird ein Jahr früher eingeschult. Nur in Schweden und Finnland müssen die Kinder erst ab dem siebten vollendeten Lebensjahr zur Schule gehen.

Die neunjährige Schulpflicht zählt hingegen zu den kürzesten. Lediglich Italien verlangt mit acht Jahren weniger. Wichtiges Kriterium bei der Frage nach der quantitativen Dimension der Bildungssysteme sind die Wochenstunden: In der Sekundarstufe I (bis zehnte Klasse) zum Beispiel kommen die Griechen teilweise schon mit 23, Franzosen mit 24 und Spanier mit 25 Stunden aus, während britische SchülerInnen bereits eine 40-Stunden-Woche absolvieren müssen. In der Bundesrepublik sind auf den Stundenplänen zwischen 30 und 35 Stunden angesetzt.

Auch in Zukunft werden die Schulsysteme innerhalb der EU voneinander abweichen. Der Maastrichter Vertrag hat auf eine einheitliche europäische Regelung verzichtet. Die Bundesrepublik setzte durch, daß die Souveränität der Länder in Bildungsfragen unangetastet bleibt. Trotzdem wirkt sich das zusammenrückende Europa auf das deutsche Schulsystem aus. Die Kultusministerkonferenz will verstärkt und eventuell schon bei Grundschülern Fremdsprachen in die Lehrpläne aufnehmen. Ferner soll das Einschulungsalter herabgesetzt werden. Wie in Belgien und einigen anderen Ländern könnten Kinder dann ab dem fünften Lebensjahr zur Schule gehen. Christoph Oellers