Sanssouci
: Nachschlag

■ „Die Schneekönigin“ – Tanzmärchen in der Deutschen Oper

Bis vor kurzem war ich der Ansicht, daß die Schneekönigin aus Hans Christian Andersens Märchen eine wunderbare Frau sei, die in einem traumhaften Eispalast wohne. Aber das ist ganz verkehrt. In Andersens Märchen ist die Schneekönigin nämlich keine gute, sondern eine sehr böse Frau, die den kleinen Kay in ihren Eispalast entführt und sein Herz zu Eis gefrieren läßt. Gott sei Dank hat Kay eine Freundin namens Gerda. Die geht Kay suchen und muß, als sie ihn endlich im Palast der Schneekönigin findet, so weinen, daß alles Eis in Kays Herzen auf der Stelle schmilzt und der Splitter in seinem Auge herausgespült wird. Pünktlich zur Weihnachtszeit hat sich die Deutsche Oper Andersens Stoff vorgenommen und daraus ein Tanzmärchen „für große und kleine Leute“ auf die Bühne gezaubert. Bei der Uraufführung am letzten Samstag war in der Pause ein Weihnachtsmann da, und es gab Eis für alle und umsonst.

Dem Choreographen Ray Barra, dem musikalischen Leiter Michael Heise und der Bühnenbildnerin Susanne Ketterer ist eine gute Arbeit gelungen: Konsequent romantisch, mit viel Pomp und Pracht und Hokuspokus. Die Kostümbildnerin Dietlinde Calsow hat für Fische, Rosen und für die Räuber, die Gerda im Wald die goldene Kutsche rauben, phantasievolle Kostüme entworfen. Christine Camillo und Alexej Dubinin tanzen ein vor kalter Schönheit geradezu klirrendes Pas de deux. Lisa Cullum und Alexandre de la Caffinière sind ein beeindruckendes Kinderpaar. Die Dorfszene ist sowieso das Beste und Marguerite Donlon ist eine großartige Räubertochter. Tolpatschig, trampelig und herzensgut gibt sie der verzweifelten Gerda ihr Rentier, das den Weg zum Eispalast kennt.

Barras „Schneekönigin“ ist für Kinder ab ungefähr acht Jahren eigentlich eine prima Sache. Aber guten Gewissens kann man es doch nicht empfehlen. Denn das Stück ist leider viel zu lang. Da gibt es zuviel Konzessionen an die „großen Leute“, die „Ballettomanen“, die ja auch kommen sollen. Da muß die Rosenkönigin oder die eigentlich so witzige Räuberbande ewig und drei Tage ihr Ballettvokabular rauf und runter tanzen, nur damit die Stars und Sternchen der Deutschen Oper alle zum Zuge kommen. Und wir müssen uns langweilen – und die Kinder bestimmt noch mehr! Die Schneekönigin macht vor, wie es richtig geht: Sie kommt kurz, aber gewaltig. Michaela Schlagenwerth

Nächste Vorstellungen am 2. und 6.12., 19.30 Uhr sowie am 10.12., 15.30 und 19 Uhr, Deutsche Oper, Bismarckstraße 35