„Ich trau' mich nicht mehr, falsch zu parken“

■ Bestechlicher Beamter der Innenbehörde wurde zu Bewährungsstrafe verurteilt

Die Reue ist zu Fleisch geworden und heißt Martin W. Der Rücken ist gekrümmt, die Schultern sind zusammengezogen, das bullige Gesicht mit Brille und Schnauzbart ist vom Publikum abgewandt. „Es tut mir sehr leid“, brummelt der wegen Bestechlichkeit und Urkundenfälschung angeklagte, ehemalige Beamte. „Die Zeit in der Untersuchungshaft war ein Schock fürs Leben. Ich trau' mich nicht mal mehr, falsch zu parken.“

Anfang des Jahres war der damalige Regierungsinspektor der Senatsinnenverwaltung festgenommen worden. In seiner Tasche fand die Polizei die letzten 5.000 Mark, die der Chinese Airong X. ihm für seine freundlichen Hilfeleistungen bei der Einreise von chinesischen Geschäftspartnern und Ehefrauen in die Hand gedrückt hatte. Alles in allem, zählt der Staatsanwalt zusammen, hat der damalige Beamte auf Probe von Ende 1993 bis Anfang 1995 mindestens 19.000 Mark von Mister X. entgegengenommen. Deswegen ist er jetzt auch kein Beamter mehr, sondern Hausmeister mit halber Stelle und großer Zerknirschung.

Der ertappte Sünder Martin W. hat bereits bei seiner Verhaftung mit deutscher Gründlichkeit gestanden. Er wartete sogar mit neuem Belastungsmaterial auf – gegen sich selbst und gegen einen weiteren Beamten in der Ausländerbehörde.

Dem Sachbearbeiter Edgar St., dem Airong X. ebenfalls Geld zugesteckt haben soll, droht demnächst der Prozeß. Selbst die denkbar beste Gelegenheit zur Täterabsprache schlug der Exregierungsinspektor seinen Angaben zufolge aus. Eine peinliche, justitielle Panne führte ihn nämlich mit dem Chinesen in einer Vorführzelle zusammen. Heldenhaft dumm lehnte er den Vorschlag von X. ab, die Zahlungen als „Darlehen“ zu kaschieren: „Ich habe seine Einflußversuche abgewehrt.“

Insgesamt acht ChinesInnen verdanken es dieser Art von Geschäftsbeziehung, daß sie in ihrem Heimatland eine sogenannte Vorabzustimmung der Innenbehörde erhielten und damit beim deutschen Konsulat ihr Visum abholen konnten. Pro erledigtem Fall bekam der fleißige Beamte mal 2.000, mal 3.000, einmal sogar 5.000 Mark. In dieser besonders schwierigen Sache, berichtet der reuige Angeklagte, habe er sich nämlich nicht getraut, seinen Vorgesetzten Wilhelm Spatz einzuschalten, und deshalb dessen Unterschrift gefälscht. X. habe „seine Probleme immer möglichst schnell erledigen wollen“. Aufgrund des Ermessensspielraums der Innenbehörde wären sämtliche Fälle womöglich auch auf legalem Wege positiv beschieden worden, „aber bei anderen Kollegen hätten sie vielleicht fünf Monate im Schrank gelegen“.

Und so nebenher erfahren die Prozeßbeteiligten, welch Aktenflut, welch Bürokratismus und Kompetenzgerangel das geltende Ausländerrecht zeitigt. Mit einer Handvoll Geldscheinen sorgte X. nämlich auch dafür, daß die Innenbehörde dem Inhaberwechsel in zwei Chinarestaurants zustimmte. Aber durfte sie das überhaupt? Ein Beamter der untergeordneten Ausländerbehörde beschwert sich im Zeugenstand über solch freche „Kompetenzüberschreitung“. Es sei Sache des Bezirksamtes, vor Ort nachzuschauen, ob dort Bedarf nach Kneipen herrsche, sodann werde die Wirtschaftsbehörde um ein Votum gebeten, und überhaupt gebe es einen Erlaß... Selbst dem Staatsanwalt ist das zuviel. Er beantragt die Einstellung des Verfahrens in diesen beiden Punkten, und das Gericht stimmt ihm liebend gerne zu.

Bleibt also Urkundenfälschung und Bestechlichkeit in fünf Fällen. Der Staatsanwalt fordert zwei Jahre auf Bewährung, der Verteidiger fordert zwei Jahre auf Bewährung, das Gericht verurteilt schließlich Martin W. zu zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung. Der Chinese Airong X., der keinen Beamtenstatus verlor, kam vor kurzem vor Gericht erheblich schlechter weg: Er muß seine drei Jahre voll abbrummen. Ute Scheub