Beauty and Beast

■ Der Thriller "Fesseln" (20.15 Uhr, Pro 7) mit Jürgen Prochnow zeigt das Gefängnis Ehe mit grimmiger Symbolik

Das vollkommene weibliche Glück, sinnierte Rainer Werner Fassbinder anläßlich seines Films „Martha“ (1973), bestehe darin, unterdrückt zu werden. Orkun Ertener (Buch) und Xaver Schwarzenberger (Regie) vertreten mit ihrem Film „Fesseln“ die entgegengesetzte These.

In „Martha“ hatte die Protagonistin nach Fassbinders paradoxer Logik in dem Moment ihr Lebensziel erreicht, als sie, an den Rollstuhl gefesselt, ihrem Gatten ausgeliefert war. In „Fesseln“ steht der Rollstuhl am Anfang: Die junge Lehrerin Hanna (Katharina Böhm) versucht, sich von ihrem krankhaft eifersüchtigen Mann Günther (Jürgen Prochnow) zu lösen. Während eines Wochenendes in einer Waldhütte stürzt sie so unglücklich einen Abhang hinunter, daß sie eine Querschnittslähmung davonträgt.

Damit ist Günther am Ziel seiner Wünsche: Hanna ist völlig auf seine Hilfe angewiesen. Er unterbindet jeden Kontakt zur Außenwelt und überzeugt sogar Hannas Mutter (Cornelia Froboess), daß er nur das Beste im Sinn hat. Hannas Ausbruchsversuche sind nun durchaus wörtlich zu verstehen. Ihr letzter Hoffnungsträger ist ein Kollege (Harald Krassnitzer), der mit ihr ein neues Leben beginnen will; doch beide unterschätzen, wozu Günther in seiner Eifersucht imstande ist ...

Regisseur Xaver Schwarzenberger verbaut den Zugang zu seinem Film nicht durch einen (pseudo-) psychologischen Überbau; warum Günther so ist, wie er ist, läßt Orkun Erteners Drehbuch völlig offen. Identifikationsfigur ist ohnehin Hanna, und die will vor allem eins: raus aus dem goldenen Käfig, den ihr Mann bewacht. Mit dem Verzicht auf eine Vergangenheit der Figuren reduzieren Ertener und Schwarzenberger ihren Film jedoch auf den puren Thrill; die schematische Zeichnung der Charaktere tut ein übriges.

Daß diese recht übersichtliche Geschichte trotzdem funktioniert, verdankt sie nicht zuletzt der Bildgestaltung Schwarzenbergers. Immer wieder läßt Jürgen Prochnow alias Günther, unzweideutiges Symbol für seine Rolle als Gefängnisdirektor, rund ums Haus die schweren Rolläden herab, so daß der Film die überwiegende Zeit im Halbdunkel stattfindet; vom lanzenartig einfallenden Licht werden Gesichter, Körper und Räume gevierteilt. Halb gelähmt, eingesperrt und auch noch des Tageslichts beraubt: Selten wurde das Gefängnis Ehe mit derart grimmiger Symbolik befrachtet. Tilmann P. Gangloff