Weihnachten gehört Papi Bosnien

■ In vorauseilendem Gehorsam beschließt das Kabinett die Entsendung von 4.000 Bundeswehrsoldaten. Zerreißprobe für die Opposition

Bonn (AP/taz) – Noch vor den USA und den europäischen Verbündeten hat die Bundesregierung gestern endgültig beschlossen, 4.000 Soldaten nach Exjugoslawien zu schicken. Am morgigen Donnerstag und am kommenden Mittwoch soll der Bundestag den Einsatz absegnen, damit Verteidigungsminister Rühe schon Ende nächster Woche ein erstes Vorauskommando nach Sarajevo schicken kann.

Mit dieser Zeitplanung mutet die Bundesregierung dem Parlament zu, eine Entscheidung zu fällen, bevor der Friedensvertrag für Bosnien überhaupt unterzeichnet ist, bevor der UNO-Sicherheitsrat ein Mandat für eine internationale Friedenstruppe erteilt hat und bevor der Nato-Rat offiziell das erwartete UN-Mandat angenommen hat. Dieser sogenannte Vorratsbeschluß, der erst in Kraft treten soll, wenn die anderen drei Hürden genommen sind, stellt vor allem die Opposition vor erhebliche Probleme. SPD-Fraktionschef Scharping, der auf dem Parteitag trotz massiver Differenzen mit dem neuen Vorsitzenden Lafontaine freie Hand für einen Beschluß der Fraktion bekam, hat angekündigt, man werde der Entsendung zwar keine Steine in den Weg legen, wolle im Bundestag aber eine eigene Resolution zur Abstimmung stellen. Darin solle klargestellt werden, daß die SPD einen Bundeswehr- Kampfauftrag strikt ablehnt und auch gegen den Einsatz deutscher Tornados ist.

Für die Grünen stellt sich die Situation noch komplizierter dar. Eine Grundsatzentscheidung über Bundeswehreinsätze außerhalb des Nato-Gebiets wird der Parteitag erst am kommenden Wochenende treffen. Gestern nachmittag traf sich die Fraktion zu einer Vordebatte, der Bundesvorstand der Partei stellte bereits klar, daß die Grünen den Einsatz ablehnen. Selbst grüne Abgeordnete, die eigentlich für den Bundeswehreinsatz sind, werden wohl dem jetzt geforderten Vorratsbeschluß ihre Zustimmung verweigern.

Bis heute ist noch ungeklärt, welchen Charakter die Friedenstruppe eigentlich haben soll. Zwar geht es offiziell nicht um einen Kampfauftrag – alle Kriegsparteien müssen dem Einsatz vorher zustimmen –, trotzdem werden die Grenzen fließend sein. Obwohl die Nato keinen organisierten militärischen Widerstand erwartet, schließt sie Überfälle kleinerer bewaffneter Gruppen nicht aus. Deutsche Soldaten werden zwar nicht an der Waffenstillstandslinie die Entflechtung der verfeindeten Armeen – notfalls mit Gewalt – erzwingen müssen, mit Heckenschützen und verminten Straßen müssen aber auch sie rechnen. Deshalb werden Pioniere und Transporter durch Gebirgsjäger geschützt, die unter anderem mit dem Radpanzer „Luchs“ ausgerüstet sind. Wie Soldaten aller anderen Nationen auch, wird die Bundeswehr selbstverständlich zurückschießen, wenn sie angegriffen wird. „Der Bosnien-Einsatz“, so Rühe, „kann auch Opfer kosten.“ JG

Siehe auch Seiten 2, 4 und 9