Von China lernen

■ Fidel Castro – Staatsgast am anderen Ufer

Was Helmut Kohl recht ist, kann Fidel Castro nur billig sein. Doch wenn Kubas Revolutionsführer jetzt zu einem zehntägigen Staatsbesuch in China eintrifft, dann geht es nicht nur darum, ein paar Wirtschaftsverträge zu unterschreiben. Vielmehr soll ein Signal gesetzt werden. Wie nie zuvor wird die sozialistische Gemeinsamkeit der beiden einstmals bitter verfeindeten Staaten betont. Die Botschaft Fidels an die Welt: Cuba Socialista, das ist keineswegs der letzte Restposten einer Welt, die mit dem Fall der Mauer untergegangen ist. Über Nordkorea mag man lächeln, über China bestimmt nicht. Mag man in Miami auch ununterbrochen Castros Ende herbeireden: China ist der Beweis, daß der Sozialismus kein Auslaufmodell ist, sondern noch immer eine Weltmacht.

Und es ist ein Sozialismus mit Wachstumsraten, die Clinton und Kohl vor Neid erblassen lassen. Genau dieses chinesische Wirtschaftswunder führt nun auch Castro nach Peking. Denn seit sich die Regierung in Havanna unter dem Druck der Krise zu wirtschaftlicher Öffnung gezwungen sieht, preist Fidel immer offener die „eindrucksvollen Erfolge“ Chinas, von dessen Erfahrungen man lernen wolle.

In der Praxis ist Kuba allerdings weit vom „chinesischen Weg“ entfernt. Denn Chinas Öffnung hat eben nicht mit der Einladung ans Auslandskapital angefangen, wie in Kuba, sondern mit der zielstrebigen Reform der einheimischen Landwirtschaft. Binnen weniger Jahre wurde das Land von einem Importeur zu einem Exporteur von Nahrungsmitteln. In Kuba hingegen kommt die Reform der Binnenökonomie noch immer nur unendlich zäh voran, und dann oft auch nur als Anhängsel der Außenöffnung, nicht als ihre notwendige Voraussetzung. Darüber hinaus bietet ein Binnenmarkt von einer Milliarde Menschen eh völlig andere Möglichkeiten, sich mit den Zwängen des Weltmarkts zu arrangieren, als eine Karibikinsel mit elf Millionen Einwohnern, deren Ökonomie auf Zucker, Tabak und Tourismus basiert.

Bei aller Bewunderung für die wirtschaftlichen Zuwachsraten ist der eindrucksvollste Erfolg Pekings aus Sicht der kubanischen Führung sowieso ein anderer: daß trotz Joint-ventures und Sonderwirtschaftszonen, Marktmechanismen und neuen Eliten politisch alles beim alten geblieben ist. Die Herrschaft der chinesischen KP ist unangefochten. Oder war da mal was? Doch wie ewig lange Tiananmen schon her ist, das hat der jüngste Besuch von Helmut Kohl eindrucksvoll gezeigt. Bert Hoffmann