Helden: Cafébesucher Von Claudia Kohlhase

Cafébesucher sitzen auf Stühlen, als wären es ihre, oder als gehörten sie dorthin. Die Stühle sowie die Besucher können aber nicht wirklich etwas dafür, und ein Café ist auch immer noch besser als eine unmöblierte Straße oder ein Kakteengarten ohne Kakteen, aber mit Schautafeln. In einem Café ist ein Besucher immerhin jemand, der Streichholzheftchen mitnehmen könnte, die im Aschenbecher liegen, und hätte so wieder etwas Bleibendes. Im Endeffekt ist ein Cafébesucher aber auch nur Gast auf Erden, bloß eben jetzt gerade im Café.

Manche glauben, Cafébesucher kämen zufällig in dieses oder jenes Café, dabei sind sie extra hingegangen. Es muß also an ihrer Absicht liegen, daß sie da sind. Und da sind sie auch schon und essen Schokosahne, obwohl sie lieber Erdbeersahne wollten, aber der Ober hat sehr vertrauenswürdig versichert, daß es keine Erdbeersahne mehr gäbe. Draußen geht trotz alledem der Verkehr weiter, und in den sommerlicheren Sorten von Café steht ein Wassernapf mit Namen Hund. Da kommt schon wieder einer, also ein Besucher, und hat seine Gattin dabei, die sehr mitgenommen wirkt und um Himmels willen nicht am Fenster sitzen will. Na, was macht man nicht alles, sie sitzen also bald an der Wand.

Vielleicht liegt es an der mangelnden Erdbeersahne, wenn nicht überhaupt an der Möglichkeit von Sahne, daß etliche Cafébesucher sehr abgeschlagen wirken. Dabei haben es selbst hergelaufene Cafébesucher im Vergleich mit Allerweltsbesuchern viel besser, da Allerweltsbesucher im Grunde überall landen können, auch in völlig falschen Wohnungen oder bei wenig artverwandten Bekannten. Manche geraten dabei sogar in Not, dabei wollten sie vielleicht nur in ein Café.

Ein Café ist darum immer der bessere Ort, denn in der Regel stehen die Kuchenstückchen gerade, und irgendwann kommt auch immer wieder der Ober. Die windigsten Cafébesucher sind allerdings die, die so tun, als bräuchten sie weder hier noch sonst Ordnung, aber überall ihre Sachen ausbreiten. Das gerät gerne bis an den Rand der Geschmacklosigkeit, wenn in Ermangelung eben solcher Sachen die Gattin ausgebreitet wird; zum Beispiel jene, die an der Wand sitzen wollte und dorthin auch zu sitzen gekommen war. Das konnte ja nur Streit vom Zaun brechen, da der Gatte schon zu Hause lieber am Fenster sitzt und da auch seinen Ohrensessel hat. Das hat sie jetzt also davon, dann auch noch die Schokosahne, außerdem zieht es gewaltig vom Klo her. Leider ist dies ein winterliches Café, so daß der untere Hund die häßliche Szene nicht durchkreuzen kann, indem er an den Napf zöge und den Tisch mitrisse.

Es wird ein Rätsel bleiben, warum Cafébesucher so oft aufs Klo müssen, es kann nicht gutgehen. Klos in Cafés sind nicht für Cafébesucher gemacht, aber auch für sonst niemand. Entweder sie bleiben mit der Handtasche an der Klobürste hängen, oder sie stoßen sich die Nase an der Brille blutig, wenn sie ihre Handtasche befreien. Wer unverletzt ins Café zurückkommt, bleibt manchmal trotzdem noch eine Weile, obwohl er ja schon auf dem Klo war. Das sieht das Personal gar nicht gern, aber so sind Cafébesucher, also die echten, die keinen festen Wohnsitz haben oder vielleicht doch oder zumindest irgendwo Stühle.