Hormonspritzen in der Tierzucht

USA wollen das Importverbot für Hormonfleisch in der Europäischen Union zu Fall bringen  ■ Aus Brüssel Alois Berger

Doktor Donald Beerman von der Cornell University in Ithaka, USA, fand das gar nicht lustig, als einige Europaabgeordnete auf den Zuschauerbänken seinen Vortrag mit Gelächter quittierten. Das sei nun einmal seine Erfahrung in Amerika, wiederholte er, daß nachhaltige und umweltschonende Tiermast ohne Hormonspritzen nicht möglich sei. Durch Metabolika und andere Wachstumshilfen würde die Rinderzucht schließlich mit weniger Weideland auskommen und auch deutlich geringere Mengen umweltbelastende Gülle produzieren.

Beermans Einführungsvortrag bei der dreitägigen Hormonkonferenz in Brüssel führte schnurstracks ins Zentrum der Auseinandersetzungen, in die politische Diskussion, die hinter der rein wissenschaftlich angelegten Brüsseler Konferenz steht. Denn was in der Europäischen Union verboten ist, wird in den USA seit vierzig Jahren praktiziert: Rund 90 Prozent des amerikanischen Fleisches kommt von Tieren, die mit Hormonen groß und stark gemacht wurden. Gemeinsam mit der europäischen Pharmaindustrie drängt die US-Regierung deshalb seit langem auf die Abschaffung des EU- Hormonverbots. Denn der Bann betrifft auch Einfuhren aus den USA. Genau deshalb sind auch die europäischen Bauernverbände und Fleischhändler mit großer Mehrheit gegen eine Lockerung des Hormonverbotes.

Eine Freigabe würde zudem die Fleischproduktion bei gleichbleibendem Viehbestand um bis zu 20 Prozent erhöhen. Da der Markt in der Europäischen Union schon heute von Überschüssen geprägt ist, wäre ein weiterer Preisverfall kaum aufzuhalten. Als ersten geht dann erfahrungsgemäß den Kleinbauern die Luft aus.

Der EU gehen die Argumente aus

Diese Gefahr werde noch dadurch vergrößert, so der EU-Agrarkommissar Franz Fischler, daß die Zulassung von Hormonen das ohnehin gebeutelte Vertrauen der Verbraucher in landwirtschaftliche Produkte weiter erschüttern werde: „Der Fleischverbrauch ist seit Jahren rückläufig, er könnte zusammenbrechen.“

Doch im Streit mit den USA um das europäische Hormonverbot befindet sich die EU-Kommission seit längerem in der Defensive. Die Regierung in Washington hat bereits angekündigt, vor der Welthandelsorganisation (WTO) gegen die aus ihrer Sicht GATT-widrige Handelsbeschränkung zu klagen. Sie beruft sich dabei auf die sogenannte Codex-Alimentarius- Gruppe, die vor vier Monaten zulässige Grenzwerte für Rückstände im Fleisch hormonbehandelter Tiere festgelegt hat. Der „Codex Alimentarius“, der eng mit der Welternährungs- und der Weltgesundheitsorganisation zusammenarbeitet, hat die Aufgabe, weltweit einheitliche Standards für Nahrungsmittel aufzustellen, um Handelshindernisse zu beseitigen. Was US-Bürgern nicht schadet, kann auch EU-Bürgern zugemutet werden, so die Argumentation.

EU-Agrarkommissar Fischler hat gegen die Hormon-Entscheidung des „Codex Alimentarius“ heftig protestiert. Er sieht dahinter ein Manöver der USA, die ziemlich offen Druck auf einige Regierungsvertreter aus der Karibik gemacht hätten. Er bezweifelt, daß die Experten, die von der Gruppe selbst ausgesucht worden waren, wirklich unabhängig gewesen sein sollen. Er sei überzeugt, „daß eine Entscheidung von solcher Tragweite durch geheime Abstimmung in einer Organisation, in der der Einfluß der Agrarindustrie weit größer ist als der von Verbraucherverbänden, nur das Vertrauen der Verbraucher in diese Organisation untergraben kann.“

Die dreitägige Konferenz wird deshalb in Brüssel auch als Versuch gesehen, die Zweifel an der gesundheitlichen Unbedenklichkeit von Wachstumshilfen wissenschaftlich neu zu beleben. 80 Experten aus aller Welt hatte die EU- Kommission eingeladen, und es wurde bald deutlich, daß es ungefähr genauso viele verschiedene Meinungen gibt. Als der Niederländer Ron Hoogeboom die Ergebnisse einer Arbeitsgruppe über die gesundheitlichen Auswirkungen von Wachstumshormonen mit dem Satz zusammenfaßte, bei fachgerechter Anwendung sei keine Gefahr für den Menschen nachweisbar, da wurde es lebhaft im Saal. Zuvor hatte Hoogeboom aufgelistet, welche Mittel nachweislich gesundheitsschädlich sind und für welche bei niedriger Dosierung keine unmittelbaren Auswirkungen festzustellen sind. Doch selbst bei den scheinbar unbedenklichen natürlichen Hormonen, meinten einige Professoren, gebe es noch offene Fragen. Da sei vieles noch nicht ausreichend erforscht.

Die Diskussion drehte sich auch um die Frage, ob mit der Legalisierung einiger gut erforschter Wachstumshilfen der viel gefährlichere illegale Markt ausgetrocknet werden könne, wie etwa Heinrich Meyer vom Zoologischen Institut in Berlin glaubt. Bernd Jülicher vom Bundesinstitut für Gesundheitlichen Verbraucherschutz hielt dem entgegen, daß Schwarzmarktprodukte immer billiger sein werden und daß die Kontrollen bei einer Teilzulassung eher schwieriger würden.

Während die als Beobachter zugelassenen Europaabgeordneten, sowie Vertreter von Verbraucher-, Handels- und Bauernverbänden ziemlich einhellig die Meinung vertraten, daß es keine wirkliche Notwendigkeit für die Zulassung von Wachstumshormonen gibt, wollten sich die Wissenschaftler aus solchen politischen Fragen heraushalten. Es sei nicht ihre Aufgabe, über die wirtschaftlichen, sozialen und ethischen Aspekte zu befinden. Dafür seien die Politiker zuständig.