Das Portrait
: König von Lichtenberg

■ Wolfram Friedersdorff

Wolfram Friedersdorff, Berlins erster PDS-Bürgermeister Foto: dpa

Der Mann gilt als Pragmatiker. Das hat vordergründig weniger mit seinen privaten Vorlieben zu tun. Wolfram Friedersdorff schwingt sich in seiner Freizeit auf das Fahrrad oder joggt gern durch die grauen Plattenbausiedlungen von Berlin-Lichtenberg. Außerdem liest er viel, vornehmlich Brecht und Tucholsky. Und seine Familie mit den fünf Kindern liebt er über alles.

Nein, das mit der Pragmatik hat mit seiner politischen Tätigkeit als Stadtrat für Wirtschaft und Finanzen im Berliner Bezirk Lichtenberg zu tun. Seit 1992 ist er hier tätig und hat sich quer durch alle Fraktionen und Parteien Achtung wegen seiner überragenden Fachkompetenz verschafft — angefangen bei der eigenen Partei, der PDS, bis hin zu Bündnisgrünen, SPD und CDU. Lichtenberg ist das größte zusammenhängende Industriegebiet der Stadt. Und Friedersdorffs Hauptanliegen war es stets, den Spagat zwischen dem Erhalt von altansässigem Gewerbe und der Ansiedlung neuer Industriezweige zu meistern.

Selbst sein Vorgänger, Gottfried Mucha von den Bündnisgrünen, bezeichnete ihn vor einigen Wochen als bürgermeisterliche Idealbesetzung für Lichtenberg. Der Mann sei lediglich in der falschen Partei.

Die PDS war aber nun einmal die Partei, die nach den Senats- und Kommunalwahlen am 22. Oktober mit 43 Prozent als stärkste Kraft in die Bezirksvertretung einziehen konnte.

Vorgestern wurde Friedersdorff zum Bürgermeister gewählt. 25 von 43 abgegebenen Stimmen votierten für ihn. Schon im Vorfeld hatten die Sozialdemokraten Friedersdorff ihre Unterstützung zugesagt. Lediglich zehn Kommunalpolitiker stimmten gegen den 45jährigen. Überraschend kam das nicht. Fachkompetenz gab gegenüber dem Parteibuch den Ausschlag.

Der in Naundorf bei Leipzig geborene Neubürgermeister promovierte 1977 an der Universität Merseburg über Betriebsanalysen. Danach hielt sich der Ökonom drei Jahre in der Volksrepublik Jemen auf und unterstützte die dortige Bildungsarbeit. Wieder zurück in der DDR, ging er 1981 an das Institut für das Ausländerstudium, ehe er 1988 einen Ruf als Hochschullehrer in Leuna erhielt.

Seine politische Karriere begann erst nach dem Zusammenbruch der DDR. Damals wurde Friedersdorff in den Bundesvorstand der PDS gewählt wurde. Christoph Oellers