Irlands gesegnete Friedensmacher

■ Der derzeit weltranglistenerste Friedensmacher Bill Clinton absolviert problemlos sein Heimspiel im nordirischen Belfast

Belfast (taz) – Er hat doch nicht Van Morrison auf dem Saxophon begleitet. Das Risiko sei zu groß, meinten seine Sicherheitsbeamten. Aber trotzdem wurde US-Präsident Bill Clinton in der nordirischen Hauptstadt Belfast wie ein Popstar gefeiert, als er am Donnerstag abend die Weihnachtsbaumbeleuchtung vor dem Rathaus einschaltete. 50.000 Menschen – vielleicht waren es sogar doppelt so viele – ließen die strengen Sicherheitskontrollen über sich ergehen und warteten stundenlang in eisiger Kälte. Manche wurden im Gedränge ohnmächtig und mußten vom Notdienst weggetragen werden.

Als dann jedoch Bürgermeister Eric Smyth von der Democratic Unionist Party anfing, von der Jungfrau Maria zu predigen, platzte den Leuten der Kragen: Smyth wurde ausgebuht. Kurz zuvor hatte Van Morrison „No Religion Here Today“ gesungen. Dann zitierte aber auch Clinton die Bibel: „Gesegnet seien die Friedensmacher“, sagte er. Und Hillary Clinton fügte hinzu: „Laßt uns daran denken, daß wir vor allem für unsere Kinder nach Frieden streben.“ Auf den Tag genau vor 15 Monaten hatte die IRA ihren Waffenstillstand verkündet.

Es war der erste Besuch eines amtierenden US-Präsidenten in Nordirland. Ein Dutzend seiner Amtsvorgänger stammen aus dem Norden der Grünen Insel, Clinton aus einem Dorf an der inneririschen Grenze. „Heimatbesuche“ wirken stets positiv auf die irisch- stämmigen Wähler in den USA, doch ein solch begeisterter Empfang wie in Belfast und Derry ist Clinton noch nie zuteil geworden.

Nichts wurde dem Zufall überlassen. Vom Flughafen fuhren die Clintons zur protestantischen Shankill Road. Der Präsident kaufte Obst und Blumen im Laden neben dem Fischgeschäft, wo vor anderthalb Jahren zehn Menschen durch eine IRA-Bombe umgekommen waren. Nach der Geste für die Protestanten ging es weiter zur katholischen Falls Road, die von der Shankill Road durch einen Wellblechzaun, die „Friedenslinie“, getrennt ist. Hier traf Clinton auf Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams. Bisher hatten die beiden nur unter Ausschluß der Kameras die Hände geschüttelt – jetzt taten sie es öffentlich.

Als nächstes stand die Maschinenfabrik „Mackie's“ auf dem Programm. Das Gebäude liegt genau auf der Friedenslinie, die Belegschaft kommt aus beiden Bevölkerungsgruppen. Hier hielt Clinton seine politischste Rede. Er forderte alle Parteien auf, die am Vortag angekündigte Kommission zur Vorbereitung eines runden Tisches zu unterstützen. Er verurteilte die brutalen Bestrafungsaktionen, mit denen die IRA und die protestantischen Organisationen gegen Kleinkriminelle und Verräter vorgehen. Er lobte auch den „Mut derjenigen, die sich von der Gewalt losgesagt haben“. Als er darauf hinwies, daß ihnen deshalb „die gleichberechtigte Teilnahme am demokratischen Prozeß“ zustünde, schrie der frühere DUP-Bürgermeister Cedric Wilson: „Niemals!“

Es blieb der einzige kritische Ton an diesem Tag. Ansonsten war man sich einig, daß die Schwierigkeiten des nordirischen Friedensprozesses durch den Besuch für eine Weile übertüncht worden sind. Auch die Wahl des Hotels sollte Normalität signalisieren: Bevor die Clintons gestern nach Dublin weiterreisten, übernachteten sie im Belfaster Europa-Hotel, dem meistzerbombten Gebäude der Welt. Dort wohnt seit einer Woche auch der offizielle Weihnachtsbaumbegleiter aus den USA: Die 20 Meter hohe Tanne vor dem Rathaus wurde aus Nashville in Tennessee importiert. Nach Weihnachten wird der Baum zersägt und an Ort und Stelle verbrannt. Man befürchtet, daß mit ihm möglicherweise irgendwelche Schädlinge aus den USA eingeführt worden sind. Ralf Sotscheck