„Sonst entledigt sich die Fraktion ihrer Basis“

■ Fraktionssprecherin Kerstin Müller über das Verhältnis von Partei und Fraktion

taz: Am Mittwoch entscheidet der Bundestag über den Bosnien- Einsatz der Bundeswehr zur Sicherung des Friedensvertrages von Dayton. Wie werden sich die 49 Abgeordneten der Bündnisgrünen nach diesem Parteitag zur Regierungsvorlage verhalten?

Kerstin Müller: Die Beschlußgrundlage des Parteitages ist inhaltlich klar, aber sie läßt im Verfahren Spielräume. Weil absehbar ist, daß eine Parteiminderheit in der Fraktion tendenziell die Mehrheit stellt, hat der Parteitag den ParlamentarierInnen diese Spielräume zugestanden. Das darf aber im Ergebnis nicht heißen, daß die Fraktion sich politisch anders verhält, als es die Partei möchte. Die Abgeordneten müssen versuchen, dies in ihrem Abstimmungsverhalten zu berücksichtigen. Nach dieser langen Auseinandersetzung muß die Fraktion einen eigenen Antrag in den Bundestag einbringen, der die Mehrheitsposition der Grünen zum Ausdruck bringt.

Was passiert, wenn nach der Ablehnung eines solchen Antrags eine Mehrheit der Grünen-Abgeordneten dem Regierungsantrag doch zustimmt?

Das könnte auf einen Dauerkonflikt zwischen einem Teil der Fraktion und einer großen Mehrheit der Partei hinauslaufen. Ich hoffe, daß wir uns auf einen gemeinsamen Fraktionsantrag einigen können und dann ein großer Teil der Abgeordneten der Regierungsvorlage nicht zustimmt. Ich habe mich sehr dafür eingesetzt, daß für unsere Abgeordneten nicht nur die Möglichkeit der Ablehnung, sondern auch die der Enthaltung besteht.

Einzelne Abgeordnete argumentieren, bis auf die Tornados lasse auch der Volmer-Antrag eine Zustimmung im Bundestag zu.

In dem Antrag Ludger Volmers sind keine Bundeswehreinheiten vorgesehen – auch nicht für Peacekeeping-Einsätze. Man könnte höchstens eine Ausnahmesituation zugestehen. Es soll hier nicht zur Zerreißprobe kommen.

Wird sich Joschka Fischer nicht durch den Stimmenzuwachs gestärkt fühlen, seine eigene außenpolitische Konzeption mit der Fraktion umzusetzen?

Er hat natürlich seine Position ausbauen können und verläßt diesen Parteitag mit einer qualifizierten Minderheit. Das darf aber nicht heißen, daß er nun mit der Fraktion agieren kann, wie er will. Ich hoffe, auch er wird weiterhin daran arbeiten, daß die Fraktion die Beschlüsse der Partei umsetzt. Sonst entledigt sich die Fraktion ihrer Basis, und die Partei enthauptet sich. Interview: Hans Monath, Bremen