Freispruch für die Bauindustrie

Gutachten bescheinigt: Keine Gefahr für das Grundwasser durch den Einsatz von Weichgelen auf Baustellen. Bedenken der Umweltverwaltung trotzdem „nicht völlig ausgeräumt“. Genehmigungsstopp bleibt bestehen  ■ Von Bernhard Pötter

Das Urteil der Gutachter lautet auf Freispruch: „Eine Gefährdung von Trinkwasservorkommen durch den Einsatz von Weichgelsohlen ist nicht gegeben. Weder sind die verwendeten Ausgangsstoffe schädlich, noch sind durch Folgereaktionen einschneidende nachteilige Veränderungen der Grundwasserbeschaffenheit zu erkennen.“ Das ist die Schlußbewertung eines bisher unveröffentlichten Gutachtens der TH Karlsruhe zum Einsatz der umstrittenen „Weichgele“ auf Berliner Baustellen, das der taz in Auszügen vorliegt.

Der „Bauindustrieverband Berlin-Brandenburg“ sieht damit seine Auffassung bestätigt, daß der Einsatz der Weichgele „keine schädlichen Einflüsse auf den Boden und keine Verunreinigung des Grundwassers“ bringt. Die Umweltverwaltung dagegen ist skeptisch. Ihre Bedenken sind „nicht völlig ausgeräumt“. Genehmigungen für den Einsatz der Weichgele wird es erst einmal nicht geben.

Die „Weichgele“ werden auf Großbaustellen benutzt, um Baugruben gegen das Eindringen von Grundwasser abzudichten. Alarm schlug die Umweltbehörde im Sommer, als Routinemessungen im Grundwasser unter dem Potsdamer Platz zum Teil extrem hohe Konzentrationen von Aluminium, Natrium und Silizium ergaben. Die Behörde erließ daraufhin ein „Moratorium“: Erteilte Genehmigungen für den Einsatz der Weichgele bleiben gültig, neue werden nicht erteilt.

Das Gutachten, in Auftrag gegeben vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, wäscht nun die Weichgele von allen Verdächtigungen rein. Zwar komme es „räumlich begrenzt zu zeitlich befristeten Veränderungen der Grundwasserbeschaffenheit“ und zu „nachteiligen Auswirkungen durch die hohe Alkalität, die zu extrem hohen pH-Werten (10 bis 13) führt“. Diese Veränderungen blieben nach den Untersuchungen auch „über Jahre hinaus mit abnehmender Tendenz wirksam“. Doch diese Beeinflussung vermindere sich rasch, das Gleichgewicht stelle sich „relativ kurzfristig“ wieder her.

„Im Ergebnis ist festzuhalten“, so das Gutachten, „daß es sich um Stoffe handelt, von denen keine schädliche Beeinträchtigung des Grundwassers oder gar eine Gefährdung des Trinkwassers ausgeht.“ Die Schadstoffmessungen vom Sommer haben mit den Weichgelen nichts zu tun, meinen die Gutachter: „Aus diesen Betrachtungen ergibt sich in Hinsicht auf die als alarmierend gewerteten Einzelbeobachtungen, daß letztere nicht mit den Einpressungen von Weichgelen ursächlich in Verbindung zu bringen sind.“

„Die Untersuchung beweist, daß die Umweltverwaltung Probleme sieht, wo keine sind“, meint die Geschäftsführerin des Bauindustrieverbandes Berlin-Brandenburg, Waltraud Hegels. Den Genehmigungen zum Einsatz der Weichgele stände also nichts im Wege. „Der korrekte Weg wäre, die Sache bei den Gerichten bis zu einer glatten Entscheidung durchzuprozessieren. Aber dafür fehlt uns die Zeit.“

Die Umweltverwaltung dagegen liest das gleiche Gutachten mit anderen Augen. „Laut der Untersuchung tritt bei der Injektion der Weichgele eine Veränderung des Grundwasserchemismus auf“, meint die Sprecherin der Behörde, Mechthild Bülow. Nun sollen auf einer „Musterbaustelle“ unter wissenschaftlicher Begleitung Weichgele eingesetzt und beobachtet werden.