Rindfleisch sorgt für Atemnot

Kälbermäster gefährden die Gesundheit der Fleischkonsumenten. Bundesbehörde findet in 15 Prozent aller Proben verbotenes Antibiotikum  ■ Von H.-J. Tenhagen

Berlin (taz) – Kälber in vielen deutschen Ställen werden mit verbotenen Antibiotika vollgepumpt. Nach einer Aufstellung des Bundesinstituts für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin konnte bei 15 Prozent aller untersuchten Kälber den Einsatz des gefährlichen Breitbandantibiotikums Chloramphenicol nachgewiesen werden. Auch bei drei Prozent aller im ersten Halbjahr 1995 untersuchten Schweine war das Mittel eingesetzt worden.

Chloramphenicol ist seit August 1994 in allen EU-Ländern bei lebensmittelliefernden Tieren verboten. Aus gutem Grund: Belastetes Fleisch hatte bei Kleinkindern zu Erbrechen, Atemstörungen und Kreislaufversagen geführt. Kleinkinder können das Medikament nicht abbauen. Damit nicht genug: Unabhängig von der Dosierung zeigten sich bei Erwachsenen irreversible Blutbildstörungen nach dem Genuß belasteten Fleisches. Bis zu 8.000 Menschen in Deutschland sollen gefährdet sein, durch das Mittel an einer sogenannten aplastischen Anämie zu erkranken. Diese Bluterkrankung verläuft bei der Hälfte aller Fälle tödlich.

Auch leichtere Formen von Knochenmarkschwund wurden als Nebenwirkung nachgewiesen. Und schließlich stehen Chloramphenicole inzwischen unter dem Verdacht, das Erbgut zu verändern. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Wodarg sprach deshalb gestern vom bislang „größten Tierarzneimittelskandal in Deutschland“.

Chloramphenicole waren jahrelang eines der gängigsten Antibiotika in der Tiermast. Bauern und Tierärzte setzten das Mittel gegen Durchfallerkrankungen, Husten und Lungenentzündung bei den Tieren ein. Weil das Mittel vom Darm aufgenommen werden kann, wurde Chloramphenicol zudem häufig dem Futter beigemengt. Der besondere Charme des Mittels lag in seinem Preis. Etwa 15 Mark für die 100-Milliliter-Flasche machten Chloramphenicol zur Allzweckwaffe in vielen Ställen.

Die gefährlichen Nebenwirkungen sind seit langem bekannt. Deswegen war 1984 zunächst der Einsatz des Mittels bei Milchkühen und Legehennen untersagt worden. Im vergangenen Jahr verhängte die EU schließlich ein weitgehendes Verbot – nach dem Vorbild der USA. Vollständig aus dem Verkehr gezogen ist das einst scheinbar so erfolgreiche Allheilmittel aber immer noch nicht: Für Reitpferde und Kleintiere, die nicht im Kochtopf landen, darf es weiter eingesetzt werden. Weil Chloramphenicole bei Routineuntersuchungen in Schlachthöfen nicht sicher festzustellen sind, bleibt eine Kontrolle weiterhin schwierig.