Abschied von der Feuerwehr?.

■ Braucht das Theater die Berufsfeuerwehr Abend für Abend im Zuschauerraum? Oder ist Brandschutz auch billiger zu haben? Etwa mit den Kollegen von der Freiwilligen Feuerwehr

Das ewige Dilemma mit der Feuerwehr: Sie kann immer nur tätig werden, wenn's brenzlig wird. Ansonsten heißt es warten. Zum Beispiel im Theater. Wo sich das Publikum schon lange daran gewöhnt hat, daß an strategischen Plätzen ein oder mehrere Feuerwehrleute sitzen – nicht unbedingt wegen des Kunstgenusses, sondern damit auf der Bühne eine Rauchfahne nicht zum Flächenbrand ausartet. Gibt es ein Theaterleben ohne Feuerwehrpräsenz? Einhelliges Gelächter auf der kulturpolitischen Fachtagung der CDU im Museum Neue Weserburg, vorvergangenen Dienstag, nachdem Elisabeth Motschmann, kulturpolitische Sprecherin der CDU, ganz nebenbei einen diesbezüglichen Sparvorschlag für das Bremer Theater in die Runde geworfen hatte: Müssen eigentlich in jeder Theatervorstellung ein oder zwei Feuerwehrleute sitzen (vgl. taz vom 30.11.)? Und die geladenen KulturträgerInnen fühlten sich bestätigt in ihrer Meinung: Die Frau hat von Tuten und Löschen keine Ahnung.

Kaum einem war wohl zu dem Zeitpunkt bewußt, wieviel die Sicherheit kostet, die die sogenannten Feuersicherheitswachen verkörpern. Die CDU verspricht sich Einsparungen in Höhe von 200.000 Mark jährlich, wenn die Berufsfeuerwehr nicht mehr anrückt, und hat Motschmanns Vorschlag in ihre Sparpläne aufgenommen. Denn: „Seit dem Haushaltsjahr 1994/95 bekommen wir vom Senat nur noch eine Pauschale von 160.000 Mark für die Feuerwehrkosten“, so Prokurist Jens Walter vom Bremer Theater. Und wenn die ihre Gebühren erhöht? „Das ist dann unser Bier.“

Für Werner Klein von der Berufsfeuerwehr sind das „Peanuts“. Schließlich würden, gesetzt, das Goethe-Theater brennt ab, Schäden von mindestens 50 Millionen Mark entstehen. Nun werden Theaterbühnen heutzutage nicht mehr mit Kerzen illuminiert, und Bühnen bestehen nicht aus roh zusammengefügten Holzpostamenten. Ist es da noch einzusehen, daß für jede Inszenierung erneut ein Vertreter des Bauordnungsamtes oder der Feuerwehr zur Generalprobe erscheint, um das Risiko zu beurteilen, das der Regisseur brandschutzmäßig eingegangen ist? Die Versammlungsstättenverordnung sieht vor, daß in Veranstaltungsräumen mit über 99 Plätzen eine Sicherheitswache präsent ist. Bloß: Die Einhaltung dieser Verordnung liegt im Ermessen der Feuerwehr, die die Räumlichkeiten begutachtet. In Filmtheatern wird man den Mann in der Feuerwehruniform denn auch vergeblich suchen. Und auch in größeren Konzertsälen sind die Brandschützer nicht immer vor Ort. Wegen der Umbauten in der „Glocke“ schicken wir dort immer jemanden hin“, sagt Werner Klein. Aber im CCB oder der Stadthalle könne man auch mal drauf verzichten. Damit es nicht so weit kommt, gibt es nicht nur den Eisernen Vorhang, der im Notfall den Zuschauerraum von der Bühne und die Bühne vom Rest des Theaters trennt. Gibt es Rauchklappen, die die Verräucherung des Saales verhindern sollen und eine Sprinkleranlage, die notfalls die ganze Bühne unter Wasser setzt. Und natürlich den oder die Feuerwehrleute, deren Präsenz, je nach pyrotechnischem Aufwand auf der Bühne, von ein bis fünf variiert. Die Kollegen von der Brandwache alarmieren, die Rauchklappen zum richtigen Zeitpunkt öffnen und die Sprinkleranlage aktivieren – für den Feuerwehrmann ist das alles eins. Können das aber nicht auch die (preiswerteren) Kollegen von der Freiwilligen Feuerwehr oder technische Mitarbeiter des Theaters mit entsprechender Ausbildung?

In Hamburg gibt es schon solche Überlegungen. Dort kostet ein Berufsfeuerwehrmann 260 Mark pro Abend. „Da muß ich zehn Karten zusätzlich verkaufen, damit sich das für mich als Privattheater rechnet“, sagt Joachim Benclowitz, Geschäftsführer des Landesverbandes Nord im Deutschen Bühnenverein. Das private St. Pauli Theater etwa müsse 100.000 bis 150.000 Mark jährlich allein für die Feuerwehrkosten in den Etat einrechnen. Deshalb werde es demnächst eine Senatsvorlage geben, die zur Diskussion stellt, ob nicht auch Fremdfirmen oder Theater-Mitarbeiter den vorbeugenden Brandschutz versehen könnten. Die Bestimmungen dazu stammen aus einer Zeit „als die Theaterleute noch als unsichere Kantonisten“ angesehen wurden, sagt Benclowitz.

Damit sich die verheerenden Theaterbrände des 19. Jahrhunderts, etwa in London und Wien, nicht wiederholen, wurde zu rigiden Maßnahmen gegriffen. Die Installierung des „Eisernen“ ist eine davon. Leitlinie ist dafür, wie gesagt, der behördliche Augenschein, der für jedes Theater und jedes Stück speziell angepaßte Betriebsgenehmigungen vorsieht – und eine Musterbauordnung aus dem Jahre 1962, zuletzt geändert im März '78. Die wird nach Maßgabe der Bundesländer angewandt. An der Bremer Version habe sich etwa Nordrhein-Westfalen orientiert, so Amtsleiter Jürgen Müller vom Bauordnungsamt.

Soll der derzeitige Sicherheitsstandard durch die teure Berufsfeuerwehr auch weiterhin gehalten werden, bedeutet das vor allem für privat finanzierte Theater einen enormen Aufwand. Kein Wunder, daß deshalb dort die offizielle Sitzplatzzahl nur in seltenen Fällen 99 überschreitet und offenes Licht auf der Bühne als dramaturgischer Kunstgriff selbstverständlich vermieden wird.

Alexander Musik