Auch Boeing kommt ins Trudeln

■ Seit über zwei Monaten Arbeitskampf in Seattle

San Francisco (taz) – Nur 25 Flugzeuge haben in den letzten zwei Monaten die Werkhallen von Seattle verlassen. United Airlines und British Airways warten vergeblich auf ihre Boeings, andere Kunden mußten sogar Flüge absagen, weil die Nummer eins im zivilen Flugzeuggeschäft nicht termingerecht liefern kann. Bis zum Ende des Jahres wollte Boeing 235 Flugzeuge gebaut haben. Daß dieses Ziel nicht zu halten sein wird, steht heute bereits fest. Der Grund ist ein Streik, der seit dem 6. Oktober andauert.

32.500 ArbeiterInnen legten die Arbeit nieder. Verhandlungen zwischen der Firmenleitung und der Gewerkschaft der Boeing-Beschäftigten, der International Association of Machinists (IAM), über einen neuen Dreijahresvertrag waren gescheitert. Es geht um Arbeitsplätze und die Krankenversicherung. Zum ersten Mal sollen Angestellte von Boeing einen Teil ihrer Krankenversicherung selbst bezahlen.

Seit 1990 wurden 18.000 bei Boeing angestellte GewerkschafterInnen auf die Straße oder in den Vorruhestand geschickt. Die IAM befürchtet, daß weitere Stellen auf dem Spiel stehen. Billige Fremdfirmen, die keine Gewerkschaften dulden, sollen die Kosten senken. Andere Arbeitsplätze wandern ins Ausland ab. Im Austausch für den Zugang zum chinesischen Markt werden Rümpfe der neuen 737-Jets in einem Militärwerk in Xian, China, gefertigt.

Boeing macht vor allem die Konkurrenz durch den europäischen Airbus und die Rückkehr von McDonnell Douglas zu schaffen. Die Gewerkschaft konnte nur noch einen Lohnzuwachs heraushandeln, der höchstens die Steigerung der Lebenshaltungskosten abdeckt. Die Chefetage wird besser bedient. Als Dank für den Höhenflug der Boeing-Aktien bekamen fünf Topmanager 2,5 Millionen US-Dollar ausgezahlt. Das Geschenk wurde am selben Tag bekannt, an dem die ArbeiterInnen nach sieben Wochen Streik auch das zweite Angebot der Firmenleitung zurückwiesen.

Auf einer Demonstration sagte der aus Washington angereiste neue Chef des Gewerkschaftsdachverbandes AFL-CIO, John Sweeney, zu den Boeing-Streikern: „Eure Geschichte spielt sich in jeder Arbeitsstätte in Amerika ab: Produktivität rauf, Profite rauf, Arbeiter runter.“ Einige Streikbrecher gehen zwar zur Arbeit, doch „es gibt dort nichts für sie zu tun“, freut sich Matt Bates, Pressesprecher der IAM.

Auf Initiative der Arbeitgeber sitzen beide Seiten wieder am Verhandlungstisch. „Wir sind optimistisch“, sagt Matt Bates. Der Streik wird „so lange dauern, wie es nötig ist. Notfalls bis Weihnachten oder Silvester.“ Ingo Malcher