Ring frei für Bertelskirch

■ Das digitale Pay-TV kann jetzt starten – na und?

Noch weiß niemand, was uns das digitale Fernsehzeitalter so genau bringen wird. 500 Kanäle, schön und gut – aber welche? Wer will das alles sehen? Und vor allem, wer wird dafür und für die Miete eines Decoders 40 Mark und mehr bezahlen wollen? Neben den Rundfunkgebühren wohlgemerkt, die bald auf rund 28 Mark steigen. Umsonst ist die neue Fernsehwelt nicht zu haben. Pay-TV heißt, neben den Online-Diensten, das Zauberwort, auf das die Medienkonzerne ihr Geld setzen.

Noch wissen wir nicht, ob sich, wie vorsichtige Strategen meinen, von den 32 Millionen deutschen Fernsehhaushalten zunächst nur eine oder zwei Millionen den neuen Fernsehluxus leisten werden – oder ob es zur Jahrtausendwende schon vier bis fünf Millionen sind. Es kann auch sein, daß der eine oder andere Konzern sich übernimmt und mit seinen großartigen Programmbouquets am Publikum vorbeiproduziert. Doch aufzuhalten ist das digitale Fernsehen nicht. Nach der jetzt erfolgten Einigung von Kirch und Bertelsmann über einen gemeinsamen Decoder wird es im kommenden Frühjahr losgehen.

Das Fernsehen wird sich noch einmal radikal verändern. Davon bleiben auch diejenigen nicht verschont, die mit ihrer Dachantenne ganz gut auskommen. Denn auch unsere guten alten Öffentlich-Rechtlichen, ARD und ZDF, werden nicht so bleiben, wie sie sind. Nicht nur, daß sie auch schon Platz auf den Astra-Satelliten gebucht haben, um ihre Programme in verbesserter, digitaler Bildqualität abzustrahlen – wer einen Decoder hat, muß dafür nicht einmal extra zahlen.

Entscheidend ist, daß künftig immer mehr Kanäle um die begrenzten Programmressourcen konkurrieren werden. Hollywood kann schließlich seine Produktion nicht vervielfachen, auch die Zahl der sportlichen Highlights wird nicht wesentlich zunehmen. Preise für Rechte und Lizenzen werden also weiter steigen, wie der Poker um die Bundesligarechte – das Kernstück jeder Pay-TV-Strategie – zeigt. Hier verdoppelt sich das Preisniveau schneller, als man von der „Sportschau“ zu „ran“ und zurück zappen kann.

Spartenprogramme – ob für Kinder, Film- oder Sportfans – werden unsere Massenprogramme von ARD über RTL und Sat.1 bis ZDF allmählich ausdünnen. Und spätestens dann werden sich auch alle diejenigen wundern, die heute meinen, wer nicht mehr als seine öffentlich-rechtlichen Gebühren zahlen will (oder nicht einmal die), den gehe das digitale Fernsehen nichts an. Michael Rediske