„Industrie verliert Interesse am Brüter“

■ Das Ende der Plutoniumwirtschaft prognostiziert der Physiker Keiji Kobayashi

taz: Waren die japanischen Behörden auf den Unfall im schnellen Brüter vorbereitet?

Keiji Kobayashi: Nein, man hat Geld gespart. Die Sicherheitsmaßnahmen gegen einen Natrium- brand sind völlig unzureichend. Im Primärkreislauf füllt Stickstoff den übrigen Raum, weil Natrium beim Kontakt mit Luft Feuer fängt. Im Umfeld des Sekundärkreislaufs dagegen ist Luft vorhanden, weil man die Brandgefahr unterschätzt. Mit Stickstoff im Sekundärkreislauf wäre es nicht zu dem Brand gekommen. Außerdem hat das Frühwarnsystem nicht funktioniert. Die Suche nach dem Leck dauerte deshalb zu lange. Eine weitere Gefahr ergab sich, als der Stahlboden bei der Brandtemperatur von über 1.000 Grad zu schmelzen begann. Unter dem Stahl liegt Beton, der sehr viel Wasser enthält. Natrium aber reagiert beim Kontakt mit Wasser explosiv. Im schlimmsten Fall führt dieses Szenario zu einer Explosion, die auch den Primärkreislauf zerstören kann.

Verharmlosen die Betreiber den Unfall?

Die Betreiber haben ein paar Bilder von der Unfallstelle veröffentlicht. Aber da war nicht viel zu sehen. Erst die Behörden der lokalen Präfektur haben alles gefilmt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Für die Betreiber muß es ein Schock gewesen sein, das Ausmaß der Havarie nicht länger verheimlichen zu können.

Wie umfangreich sind die notwendigen Reparaturen?

Das wird eine sehr mühsame Arbeit. Man muß viel vorbereiten, bevor man überhaupt die Leckstelle untersuchen kann. Das Natrium im Primärkreislauf ist radioaktiv verseucht und muß völlig entfernt werden. Auch bei kleinen Rückständen besteht weiter Explosionsgefahr. Erst dann beginnt die Suche nach dem Leck. Die Kühlrohre sind mit dickem Isolierstoff umhüllt, der ebenfalls entfernt werden muß. Handelt es sich bei dem Leck tatsächlich um eine Schweißstelle, müssen Hunderte von Schweißnähten überprüft werden. Das könnte länger als ein Jahr dauern. Erst danach sind die Reparaturen absehbar.

Warum wurde der Reaktor nicht sofort abgestellt?

Nach einer Sofortabschaltung sinkt auch die Temperatur des Natriums sehr schnell. Diese Temperaturänderung gibt den Kühlrohren eine Art Schock. Das wollte man vielleicht vermeiden. Dennoch hätte man sofort abschalten müssen.

Wird der Unfall die japanische Plutoniumpolitik beeinflussen?

Auf jeden Fall. Er könnte sogar das Ende von Monju bedeuten. Unsere Stromfirmen sind schon seit geraumer Zeit nicht mehr an dem Schnellbrüterprojekt interessiert. Für sie ist es schlicht zu teuer. Eine weitere Folge: Unsere Wiederaufarbeitungsanlage verliert ihren Existenzgrund, wenn der schnelle Brutreaktor nicht mehr funktioniert.

Warum hält die japanische Regierung am Schnellbrüter fest?

Unternehmer wie Mitsubishi, Toshiba und Hitachi haben von Monju viel profiert. Die großen Baufirmen auch. In Japan arbeiten Unternehmer und Bürokraten gut zusammen, auch wenn es sich für den Steuerzahler längst nicht mehr lohnt. Interview: Chikako Yamamoto