900-Pfund-Gorilla im Europakäfig

■ Grüne: Die Gefahren der Währungsunion müssen benannt werden, um ihr Scheitern verhindern zu können

Bonn (taz) – Joschka Fischer hat Angst vor großen Tieren, genauer gesagt: vor einem 900-Pfund-Gorilla. Mit einem solchen Monstrum hat einmal ein US- Diplomat das wiedervereinigte Deutschland verglichen. Der Fraktionschef der Bündnisgrünen borgte sich nun das drastische Bild, um zu erklären, warum er die fortschreitende Integration der Bundesrepublik in europäische Strukturen für so wichtig hält.

Der nächste Schritt auf dem Weg zur Vertiefung der Europäischen Union (EU), die Währungsunion, sieht Fischer aber gefährdet, sagte er am Montag während einer Anhörung seiner Fraktion zu Europa: Eine „beklemmende Angst“ vor den Kosten des wirtschaftlichen Einigungsprozesses gehe in Europa um. Die Regierung Kohl greife diese auch in der Bundesrepublik verbreitete Angst nicht auf, halte an der Vision eines „von oben gestalteten Europas“ fest und laufe damit Gefahr, eines Tages von den eigenen „Hinterbänklern“ im Stich gelassen zu werden.

Fischers Schlußfolgerung scheint einfach: Nach einzelnen SPD-Politikern sollen offenbar nun auch die Bündnisgrünen die Schwierigkeiten und Gefahren auf dem Weg zur Währungsunion zum Thema machen. Die europapolitische „Double-speach“, also die großen Versprechungen ohne Ehrlichkeit gegenüber den Schwierigkeiten, will der Fraktionschef ablösen – mit dem Ziel, die Vorbehalte gegen Europa aus dem Weg zu räumen.

In der Bundesrepublik nämlich sieht Fischer die Gefahr, daß der Einigungsprozeß „an den Ängsten der bürgerlichen Schichten“ scheitern könne – etwa, indem es zu einer „stummen Abstimmung über die Konten“ komme. Die bangen Fragen nach der deutschen Hegemonie in Europa aber stellten sich in neuer Schärfe, sobald der Zeitplan der Währungsunion nicht eingehalten werde, wie viele befürchteten.

Um eine höhere Akzeptanz der EU-Vertiefung zu erreichen, müsse auch die „Demokratiefrage“ gestellt werden, meinte Fischer. Auch sei das Verhältnis von EU- und nationaler Ebene zu klären. Die Frage nach der demokratischen Legitimation stelle sich auch bei der Übertragung von Wirtschafts- und Währungskompetenz auf die EU.

Diskutiert werden müsse nun, wie eine EU-Verfassung aussehen solle, ob etwa eine „zweite Kammer“ sinnvoll sei. Es sei unumgänglich, über die Schwachstellen der EU aufzuklären, so Fischer.

„Wir werden noch zehn Jahre haben, dann muß der Einigungsprozeß stehen.“ Als Alternative, so meint ein ausnahmsweise einmal pessimistisch gestimmter Fraktionschef, drohten nationale Alleingänge des 900-Pfund-Gorillas. Hans Monath