Schutz für die Serben?

■ Das Referendum Karadžićs und die Einheit Sarajevos

Sarajevo, so wurde im Abkommen von Dayton beschlossen, soll ungeteilt der bosniakisch-kroatischen Kontrolle unterstellt werden. Der bosnische Serbenführer Radovan Karadžić, der seit Jahren für eine Teilung der Stadt plädiert, weil verschiedene Völker nicht zusammen leben könnten, hat gestern zu den Urnen gerufen. Spekulationen über den Ausgang des Referendums, das in den serbisch besetzten Vororten und Teilen Sarajevos abgehalten wird, erübrigen sich. Die Abstimmung fand unter den Bedingungen einer faschistoiden Herrschaft statt.

Die Frage, die angeblich 80.000 Einwohnern des „serbischen Sarajevo“ vorgelegt wurde: „Befürworten Sie, daß das serbische Sarajevo Teil der Föderation von Bosnien-Herzegowina wird und unter deren Verwaltung fällt?“ Von serbischen Vororten und serbischen Stadtteilen ist längst auch in hiesigen Medien die Rede, wenn es um Ilidža, Vogošća und Ilijaš geht, die Orte also, die der Potentat von Pale an die Bosniakisch-Kroatische Föderation abtreten soll. Wer weiß denn heute noch, daß in Ilidža und Vogošća vor dem Krieg mehr Muslime als Serben wohnten und in Ilijaš die beiden Volksgruppen etwa gleich stark waren? Ein „serbisches Sarajevo“ gibt es nicht, höchstens ein serbisiertes Sarajevo, ein „ethnisch gesäubertes“ Teil-Sarajevo.

Es geht nicht um Spitzfindigkeiten, sondern um die konkrete Umsetzung eines Friedensplans, der zwar im Kern einer völkischen Logik folgt, aber für die kriegsgeplagte Bevölkerung doch zum erstenmal einen Ausblick auf Frieden bietet. Dieser Plan sieht auch die Rückkehr der Flüchtlinge vor. Vertriebene Muslime werden also in die nun serbisch besetzten Vororte Sarajevos zurückziehen wollen. Viele Serben, womöglich ihrerseits Flüchtlinge, die fremde Häuser und Wohnungen in Beschlag genommen haben, werden die Koffer packen müssen. Konkreter Konfliktstoff bei der konkreten Umsetzung des Friedensabkommens.

Die Serben in und um Sarajevo brauchten keinen besonderen Schutz, meinte jüngst der bosnische Regierungschef Haris Silajdžić, der schon immer für ein multikulturelles Zusammenleben einstand. Das Gegenteil ist wahr. Wenn die Serben, traditionell eine starke Minderheit im Großraum Sarajevo, keinen besonderen, auch militärischen Schutz erhalten, werden schon bald auch diejenigen unter ihnen auswandern, die seit Generationen dort ansässig sind. Es wäre die Fortsetzung der „ethnischen Säuberungen“, trotz oder wegen des Friedensvertrags von Dayton. Thomas Schmid